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Also lieb ich ihn - Roman

Also lieb ich ihn - Roman

Titel: Also lieb ich ihn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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erzählt, weder bei Figs Hochzeit noch am Abend nach meinem Bewerbungsgespräch? Hatte er nicht. Sie stieß dann beim Abendessen dazu – ich mochte es noch nicht recht glauben und litt Höllenqualen –, eine hochgewachsene Frau mit Preppy-Ausstrahlung, wenn auch etwas streng. Im College gehörte sie zur Rudermannschaft, sie war Mitglied bei den Republikanern, sie wirkte wie eine Person, die niemals etwas Peinliches oder Liebenswertes von sich geben würde, egal wie viele Drinks sie intus hatte. Als wir fast fertiggegessen hatten, fragte sie: »Was führt dich eigentlich nach Chicago?« Ich lachte nervös: »Wenn es mir wieder einfällt, bist du die Erste, die es erfährt.«
    »Sie hat hier einen Job gefunden«, sagte Henry.
    Als Anwaltsgehilfin machte Dana meist Überstunden, ließ sich unter der Woche kaum blicken und war auch am Wochenende selten präsent. So verbrachten Henry und ich bald eine Menge Zeit miteinander, es wurde zur Gewohnheit. Obwohl ich Danas Existenz zunächst als Verrat |296| empfunden hatte – was ich Henry niemals anvertrauen wollte –, war sie mir vielleicht gar nicht so unlieb. Als wir damals in der Collegezeit zusammen nach Cape Cod gefahren waren, war ich über Figs Existenz ähnlich froh, so stand ich weniger unter Druck. In Chicago dachte ich nun, Dana könnte dazu beitragen, dass Henry und ich uns wieder richtig annähern – und uns dann freundlicherweise verlassen. So unrealistisch war das gar nicht: Henry ließ sich mit schöner Regelmäßigkeit über die Defizite ihrer Beziehung aus, während ich versuchte, mir die Freude darüber nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. »Ich glaube, sie hat eine Schwäche für ihren Boss«, sagte er beispielsweise gleich zu Beginn. Oder: »Mitgefühl ist nicht gerade ihre hervorstechendste Eigenschaft.« Leider waren nicht alle seine Bemerkungen negativ, einmal sagte er: »Ich war noch nie mit einer Frau zusammen, die mir derart in den Arsch treten könnte, wenn sie nur wollte. Komischerweise macht sie mich gerade deswegen so an.«
    Nach einer Weile verbrachten Henry und ich praktisch jeden zweiten Abend zusammen. Oft bat er mich um Rat, was mich überraschte und mir schmeichelte. Damals führte er hitzige Ferngespräche mit seiner Zwillingsschwester – ihr Mann hatte sich von Henry Geld geliehen, um in New Hampshire ein Restaurant zu eröffnen, und Henry zweifelte allmählich an der Rechtschaffenheit dieses ganzen Unterfangens –, und so erörterten wir, ob und wie er am besten dagegen vorgehen sollte. Es dauerte einige Monate, bis ich begriff, wie vielen anderen Freunden sich Henry anvertraute. Zwar war stets ich die erste Anlaufstelle, aber das mochte daran liegen, dass die anderen weniger oft und weniger lang zur Verfügung standen. Warum er ausgerechnet bei mir Rat zu finden hoffte, war mir nicht ganz klar, aber ich nahm mir seine Sorgen sehr zu Herzen und suchte so hartnäckig nach einer Lösung, dass |297| ich danach manchmal Kopfschmerzen hatte. Wenn wir uns nicht gerade über seine Schwester und seinen Schwager unterhielten, sprachen wir häufig über seinen neuen Boss in der Unternehmensberatung, für die Henry tätig war – Henry hielt ihn für ein ausgemachtes Arschloch –, und manchmal über Dana. An dieser Beziehung hielt er mit aller Macht fest, weil er das Gefühl hatte, zu viele seiner früheren Beziehungen verkorkst zu haben. Für mich lag es auf der Hand, dass es mit den beiden nicht gutgehen konnte, so sehr, dass ich ihn nicht einmal davon zu überzeugen versuchte. Er würde es selbst noch früh genug merken.
    Ende September – als ich schon drei Wochen in Chicago lebte – fuhren Henry und ich mit seinem Freund Bill eines Abends nach Milwaukee, um das Spiel der Brewers gegen die Cubs zu sehen. Obwohl ich von Baseball so gut wie keine Ahnung habe, hatte Henry auch für mich eine Karte besorgt, und er bestand darauf, dass ich mitkam. Im Stadion verkündete Bill, er wolle für jeden Punkt, den die Cubs erzielten, einen Hotdog essen. Nach seinem fünften Hotdog griff sich Bill mit schmerzerfüllter Miene an den Bauch, nach dem siebten konnte er dem Spiel kaum mehr folgen. Er beugte sich weit vor und barg den Kopf in den Händen.
    Nach dem Spiel fuhren wir nach Chicago zurück. Bill schlief auf der Rückbank, während Henry und ich einen Sender mit Rock-Klassikern hörten, es war eine laue Nacht zu Herbstbeginn. Wir sprachen über das Problem mit seiner Schwester und dann über den Bau eines neuen Hochhauses in der Nähe

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