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Also lieb ich ihn - Roman

Also lieb ich ihn - Roman

Titel: Also lieb ich ihn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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seiner Wohnung. Über Dana sprachen wir nicht; diese Gespräche wurden bereits unerträglich, da sie mich entweder zu sehr hoffen ließen oder mir das Herz brachen. An diesem Abend war alles ruhig und entspannt. Ich streckte die Hand aus dem Fenster |298| und spürte den Fahrtwind. In diesem Augenblick hatte ich das Gefühl, Henry so sehr zu lieben, wie ich keinen anderen jemals lieben würde.
    Mir gefiel, dass er ein sicherer und vollkommen entspannter Fahrer war; dass er mir im Stadion diesen riesigen Schaumstofffinger besorgt hatte; dass er mich bei diesem Spiel unbedingt dabeihaben wollte, dass es ihm
wichtig
war; mir gefiel, wie er mir in meiner ersten Chicago-Woche beigebracht hatte, eine Weinflasche zu öffnen, seitlich einzuparken und »Du bist ein ausgebufftes Kerlchen« auf Spanisch zu sagen – lauter Fertigkeiten, die für ein gelungenes Leben unabdingbar schienen und die ich nun endlich auch beherrschte. Mir gefiel, wie er mitsang, als im Radio »Under My Thumb« von den Rolling Stones lief, und zwar so, dass er sämtliche
sie
-und-
ihr
-Pro nomen gegen
er
und
ihn
austauschte – nachdem ich ihm erzählt hatte, dass meine Schwester mich in der High School dazu angestiftet hatte, kam er von ganz allein auf die Idee. Er gefiel mir in seinem karierten Hemd mit den perlmuttartigen Druckknöpfen, und er gefiel mir mit seiner Brooks-Brothers-Krawatte, und er gefiel mir, wenn wir uns nach seinem Basketballtraining trafen und er noch ganz verschwitzt war. Seine Finger gefielen mir, sie hatten genau die richtige Form, oben so breit wie unten, anstatt spitz zuzulaufen. Mir gefiel, wie gut er mich kannte und wie er einmal, als wir im Restaurant draußen aßen, sagte: »Nimm ruhig den anderen Stuhl«, weil er eben wusste, dass ich nicht gern mit dem Rücken zur Straße sitze. Als ich später überlegte, wie ich mich von Henry lösen sollte, kam mir die Idee, einem anderen alles beizubringen, was er von mir wusste – doch das würde eine Menge Arbeit bedeuten, vor allem bei einem rein hypothetischen Gegenüber.
    In jener Nacht wünschte ich mir nichts anderes, als im |299| Auto neben Henry zu sitzen, auf der Rückfahrt von einem Baseballspiel in Milwaukee. Als wir Chicago erreichten, setzte er Bill zuerst ab, obwohl er dafür einen Umweg fahren musste; er setzte immer alle anderen zuerst ab, bevor er mich nach Hause brachte. Vor meinem Wohnhaus schaltete er den Motor aus, wir sprachen noch zehn Minuten über dies und das, und ich verspürte einen derartigen Drang, ihn zu berühren, dass ich meinen eigenen Körper gar nicht mehr wahrnahm, ich war nur noch ein glühender, vorwärts treibender Meteor, bis er plötzlich sagte: »Ich bin tot. Ich hau mich jetzt aufs Ohr.« Immer setzte er den Schlusspunkt, nur er war dazu in der Lage, ich war es nie. Zu Hause war es furchtbar, sich nach wie vor als Meteor zu fühlen. Ich war allein mit all dieser angestauten Energie.
    Von den entsetzlichen Momenten abgesehen, in denen ich kein bisschen daran glaubte, glaubte ich felsenfest daran, dass Henry und Dana sich trennen würden und er und ich dann eine Beziehung knüpfen würden, die unweigerlich in eine Hochzeit münden müsste. Ich hatte nur Angst, dass unsere Freundschaft dem ersten Kuss im Weg stehen könnte, weil ich darum nicht entspannt genug wäre, auch wenn man eigentlich das Gegenteil annehmen müsste. Und wenn dieser Kuss dann so angespannt wirkte, würde Henry mich vielleicht nie wieder küssen wollen, weil ihm nicht klar wäre, dass es ja immer besser werden würde. Die Hauptsache war allerdings, dass ich mir wegen Henry sicher war, und ebenso sicher war ich, dass mein wirkliches Leben nun endlich begonnen hatte und alles Vorige nur Prolog gewesen war.
    An einem Samstag im Winter unternahmen Henry und ich eine Schneeschuh-Wandertour – Dana war in Washington, D. C., zu Besuch bei ihren Eltern, und er hatte die Idee gehabt –, abends machten wir uns dann in seiner |300| Wohnung Tacos, tranken Bier und hörten Bruce Springsteen. Um drei Uhr morgens, als ich in das Sofa eingesunken war, die Füße auf den Beistelltisch gestützt, und er auf dem Boden lag, sagte ich: »Henry, manchmal habe ich das Gefühl, dass zwischen uns etwas Seltsames läuft.« Niemand hatte mir je erklärt, dass solche Gespräche müßig sind, dass ich in diesen Fällen lieber den ersten Schritt wagen und den Typen küssen sollte, denn was können Worte schon bewirken, im Unterschied zu warmen, lebendigen Lippen? Natürlich könnte mich der Typ

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