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Also lieb ich ihn - Roman

Also lieb ich ihn - Roman

Titel: Also lieb ich ihn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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verschwenderisch dieser Kauf auch anmutete, ging ich davon aus – keineswegs naiv oder halb im Scherz mit mir selbst, sondern ganz sachlich und nüchtern –, dass diese Teller eines Tages uns beiden gehören würden.
    Im Februar waren Henry und Dana immer noch zusammen, als er Suzy kennenlernte. Eine Begegnung, bei der ich ebenfalls zugegen war. (Als Außenminister George C. Marshall 1947 in Harvard seine Rede hielt, sollen sich die meisten Anwesenden ihrer Reichweite nicht bewusst gewesen sein – es handelte sich um die Umrisse des Marshallplans.) Henry und ich holten uns abends eine Pizza auf der Damen Avenue; Suzy stand hinter uns an einem Tisch und rauchte allein vor sich hin, während Henry und ich auf unsere Bestellung warteten. Sie sah so – so studentisch aus, dass mir nichts Böses schwante: Sie trug eine Jeansjacke, die langen Haare offen, von einigen winzigen Zöpfen vorne abgesehen, und an fast jedem Finger silberne Ringe. Sie war klein und hübsch, und auch wenn ich nicht beschwören kann, dass sie nach Patchouli duftete, hätte dieser Duft zu ihr gepasst. Hätte man mich noch am selben Abend gefragt, wie wir mit ihr ins Gespräch kamen, hätte ich auf Anhieb kaum eine Antwort gewusst, aber als ich mich später ganz bewusst darauf besann, fiel mir ein, dass sie und Henry vermutlich ein paar Worte gewechselt hatten, während ich mir an der Theke noch einen Becher Wasser besorgte. Wahrscheinlich hatte er damit angefangen. Als ich wieder zu ihm stieß, diskutierten sie gerade |306| über die Kontrolle von Schusswaffenverkäufen. Und als ich ihn in der darauffolgenden Woche im Büro anrief, teilte er mir mit, dass er verkatert sei. Er habe Suzy in einer Bar getroffen, erzählte er mir, doch ich verstand immer noch nicht, und so überraschte es mich zu hören, dass sie bis zur Sperrstunde geblieben waren.
    »Komisch, dass ihr euch ständig über den Weg lauft«, sagte ich. »Vielleicht stellt sie dir ja nach.«
    »Nein, wir waren verabredet«, erwiderte er. »Ich hab sie angerufen.« Daraufhin herrschte Stille, die Stille, die ich brauchte, um diese Information zu verarbeiten, während Henry – ja was? – die Stille achtete.
    »Wie bist du an ihre Nummer gekommen?«, fragte ich, und ich spürte dieses vertraute Gefühl, einen eisigen Abhang hinunterzustürzen: Meine Hände brannten, der Sturz nahm kein Ende.
    »Als wir sie beim letzten Mal trafen«, sagte er. Damit wich er meiner Frage zwar ein wenig aus, doch darum wusste ich umso besser Bescheid.
    Selbst als er und Dana sich offiziell trennten, konnte ich mir nicht vorstellen, dass es ihm mit Suzy ernst war. Sie war erst neunzehn, vielleicht lutschte sie gern Schwänze. Einmal gingen wir zu dritt essen; dumm war sie nicht – das hätte ich natürlich gern gehabt –, aber sie war auch nicht besonders interessant. Sie stellte keine Fragen, zumindest mir nicht. Suzy stammte aus Madison, studierte Soziologie an der DePaul University und jobbte zwanzig Stunden die Woche als Kellnerin. Im Lauf des Abends sagte Henry irgendwann: »Heute habe ich von Julie eine total schräge E-Mail bekommen.« Suzy fragte: »Wer ist Julie?«, und ich antwortete: »Henrys Zwillingsschwester.« Das tat ich ohne jeden Hintergedanken, ich antwortete bloß auf ihre Frage. Suzy sagte: »Du hast eine Zwillingsschwester?«, und wieder dachte ich (hoffentlich |307| glauben Sie jetzt nicht, dass ich ohne ersichtlichen Grund vulgär werde, Frau Dr. Lewin):
Klar, sie lutscht seinen Schwanz.
    Danach ging ich zu Fuß nach Hause, es war ein verregneter Aprilabend, und ich nahm mir vor – inzwischen war ich bei dem unablässigen Versuch angelangt, mir solche Grenzen zu setzen –, nie wieder mit Henry auszugehen, wenn Suzy dabei war, ihn von jetzt an höchstens zweimal die Woche zu sehen und auf keinen Fall mit ihm zu sprechen, wenn er mich im Büro anrief. Aber vielleicht verwechsle ich es auch und nahm mir an jenem Abend vor, nicht mit ihm zu sprechen, wenn er mich
zu Hause
anrief, und
nur
im Büro mit ihm zu sprechen.
    So oder so trafen wir uns eine Woche später zum Lunch, und wie schon so oft hatte ich das Gefühl, dass für uns beide kein Wort und keine Berührung undenkbar war. Ich wollte über den Tisch greifen, sein Kinn umfassen und sämtliche Gesichtsknochen unter der Haut ertasten. Immer schien er zu mir zu gehören. Vielleicht wollte ich auch sagen:
Ich bin wie ein Fisch, den man gerade ausgenommen hat
, ohne ein Wort der Erklärung hinzuzufügen. Aber ich berührte ihn

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