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Also lieb ich ihn - Roman

Also lieb ich ihn - Roman

Titel: Also lieb ich ihn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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stimmt.« In den letzten Stunden hat sie sich abwechselnd vorgestellt, wie sie Jenny oder Fig von ihrem grauenhaften Abend mit einem unsäglichen Typen aus der Kreditvergabestelle erzählt, bis ihr plötzlich klar wird, dass sie ihnen gar nichts zu erzählen braucht. Im Wohnheim setzen sie sich Seite an Seite auf ihre Bettkante. Er streicht ihr mit dem Daumen über den nackten Unterarm; vor Anspannung bringt sie kein Wort über die Lippen. Mike ist so lieb und hoffnungsfroh (das kann ja nicht gutgehen), dass sie am liebsten weinen würde. Mit den Fingerspitzen dreht er ihr Gesicht zu sich, als sie sich küssen, fühlt sich seine Zunge warm und nass an.
    |180| Auch wenn es vorerst beim Knutschen bleibt, übernachtet er bei ihr, in T-Shirt und Boxershorts, und hält sie mit beiden Armen umfangen. Bevor er sein Hemd und die Jeans auszieht, bittet er um ihre Erlaubnis. Dass sie die ganze Nacht wie Löffelchen beieinanderliegen, überrascht Hannah.
Ich bedaure nichts von dem, was zwischen uns vorgefallen ist
, scheinen ihr Mikes Arme zu signalisieren. Kurz bevor es dämmert, scheinen sie sagen zu wollen:
Ich bedaure es immer noch nicht
.
    Doch als er am Morgen wieder auf der Bettkante sitzt – um vor dem Gehen seine Schuhe zuzubinden –, steht sie mit verschränkten Armen da. Sie hat ihm vorgelogen, dass ihre Schicht in der Bibliothek bereits um acht beginnt. Als er ebenfalls steht, legt er ihr die Hand auf den Rücken, eine liebevolle Geste, die ihr aber so willkürlich wie aufgesetzt erscheint, genauso gut hätte er sie am Scheitel berühren oder am Ellbogen packen können. Es ist so
symbolträchtig
: Sie sind Schauspieler in einem Theaterstück, und der Regisseur hat ihn angewiesen, sie zu berühren, damit das Publikum versteht, dass zwischen ihnen beiden eine Bindung entstanden ist. Sie will nur noch, dass er geht.
     
    Der Sonntagmittag verstreicht. Als Hannah um 13.20 Uhr ein Klopfen an ihrer Tür vernimmt, überlegt sie kurz, nicht zu öffnen, aber dann tut sie es natürlich doch. Fig trägt enge schwarze Hosen, einen schwarzen Pulli und schwarze, hochhackige Stiefel. Sie pfeffert ihre Tasche auf den Boden und wirft sich mit einer geschmeidigen Bewegung unter Hannahs Bettdecke. Figs langes kastanienbraunes Haar riecht nach Rauch, wie Hannah feststellt, als ihre Kusine an ihr vorbeirauscht.
    Hannah, die Jeans und ein T-Shirt trägt, sagt: »Das ist ekelerregend, Fig. Zieh die Stiefel aus!«
    |181| Fig schleudert die Decke von sich und streckt ein Bein vor.
    »Auf keinen Fall«, sagt Hannah.
    »Bittebittebitte«, sagt Fig.
    »Du bist so was von albern.« Hannah packt Figs rechte Wade, öffnet den Reißverschluss, zieht ihr den Stiefel aus und wiederholt die ganze Prozedur beim linken Fuß.
    »Danke, Schätzchen.« Fig hüllt sich bis zum Kinn in die Decke. »Ich bin jetzt eine Meisterdiebin. Ist das für mich nicht der ideale Beruf?«
    »Ich dachte, wir könnten vielleicht ins Kino gehen«, sagt Hannah. »Gibt es einen Film, den du sehen möchtest?«
    »Eigentlich muss ich ganz schnell wieder nach Hause. Henry wollte mich anrufen.« Fig wirft einen Blick auf Hannahs Wecker. »Wie spät ist es?«
    Allein der Klang seines Namens – so verheißungsvoll wie die Einladung zu einer Party, die einem plötzlich wieder einfällt. Wie kann sie da erwarten, für jemanden wie Mike, den sie kaum kennt, die gleiche tiefe Zuneigung zu empfinden wie für Henry. Seine bisher schönste E-Mail hat sie vor ein paar Wochen erhalten:
Du solltest wirklich einmal zu Besuch kommen. Fig hat auch schon dran gedacht, aber sie wird es wohl nicht schaffen. In Seoul gibt es viel zu entdecken (das meiste habe ich selbst noch nicht erkundet), und wir könnten das ganze Land bereisen. Für mich wär’s toll, ein vertrautes Gesicht zu sehen, und nach allem, was ich weiß, kann man mit Korean Air vergleichsweise günstig fliegen.
»Vergleichweise günstig« bedeutete an die tausend Dollar, wie sie herausfand, absolut unbezahlbar. Trotzdem war das eine beglückende E-Mail.
    »Wie geht es Henry?«, fragt Hannah. Sie hat keine Ahnung, ob Fig weiß, dass sie und Henry Kontakt halten – dem Anschein nach nicht, aber es ist sicherer, vom |182| Gegenteil auszugehen. Ohnehin erfährt sie von ihrer Cousine mehr über Henry als von Henry selbst; Fig lässt regelmäßig Bemerkungen fallen, die Hannah zu erkennen geben, wie wenig Henry ihr im Grunde verrät. Letztens hat sie von Fig aufgeschnappt, dass er mit ein paar Kollegen in einem Nachtclub war, wo man

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