Also lieb ich ihn - Roman
Hause aus schickt Hannah eine sarkastische Mail an Fig (
Es muss dir gar nicht leid tun, dass du nicht da warst, ich fand es einfach himmlisch, so früh am Morgen Zug zu fahren …
), doch nach mehreren Tagen, die ohne Antwort verstreichen, befürchtet Hannah allmählich, dass etwas wirklich Schlimmes passiert ist.
Am Mittwochnachmittag greift sie zum Telefon. »Dich will ich ja schon seit Ewigkeiten sprechen!«, sagt Fig. »Können wir uns gleich sehen? Können wir heute Abend essen gehen? Oder nein, nicht heute Abend, ich hab diesem Jurastudenten versprochen, ihn auf einen Drink zu treffen. Das Einzige, was schlimmer ist als ein Jurist, ist ein Jurastudent, findest du nicht?«
»Was ist dir letztes Wochenende denn zugestoßen?«
»Frag mich lieber was anderes. Erinnerst du dich an Betsy, meine Mitbewohnerin aus dem ersten Jahr?«
Hannah erinnert sich sehr wohl. Das allererste Mal, als sie Fig an der Boston University besuchte, fragte Betsy: »Bist du zu uns gejoggt?« Hannah antwortete: »Ich bin |175| mit dem Zug gekommen. Warum?« Und Betsy erklärte: »Weil du so verschwitzt bist.«
»Letzten Samstag wollte Betsy diese Riesenparty steigen lassen und ist vor Stress total ausgeflippt«, erzählt Fig. »Sie bettelte, sie brauche meine Hilfe, dabei hatte ich nicht die geringste Lust, mich vom Strudel ihres kompletten Irrsinns mitreißen zu lassen, das kannst du mir glauben. Aber dann flitzten wir doch alle hin und her, besorgten was zu essen, räumten die Wohnung auf, und danach wollte die Party kein Ende nehmen. Vor sechs Uhr in der Früh ist keiner gegangen. Das hättest du nicht verpassen dürfen.«
»Leichter gesagt als getan, da ich von dieser Party nichts wusste.«
»Betsys neuer Freund trägt eine Zahnspange. Kannst du dir vorstellen, dass dich ein Typ mit Zahnspange leckt?«
»Wenn du zu verkatert warst, Fig, hättest du mich ja bloß anrufen müssen.«
»Ich weiß. Es gibt auf der ganzen Welt keinen garstigeren Menschen als mich. Aber ich wollte dich ja gerade anrufen. Und ich mach es wieder gut.
Ich
werde für dich einen Brunch zubereiten.«
»Dafür müsstest du erst mal kochen lernen«, sagt Hannah. Figs Ernährung besteht aus Cocktailzwiebelchen aus der Dose, Hüttenkäse, mit Ketchup verrührt, und gelegentlich einer Tafel Schokolade. Im Restaurant bestellt sie sich zwar immer etwas zu essen, aber sie isst selten mehr als ein paar Bissen. Hannah und Allison haben jahrelang darüber gerätselt, ob Fig magersüchtig ist.
»Stell dich nicht so an«, sagt Fig. »Dann kommst du eben dieses Wochenende zu mir, und ich zaubere uns ein paar French Toast.«
»Du hast noch nie in deinem Leben French Toast gemacht.«
»Kann schon sein«, meint Fig, und Hannah denkt, wie |176| unerhört tröstlich es doch ist, dass sie ihre Cousine so gut kennt. Selbst wenn sie gar nicht schlecht über Fig denken will, kann sie gar nicht schlecht genug von ihr denken. »Aber ich habe meiner Mom tausendmal dabei zugesehen«, fährt Fig fort. »Man braucht Eier und Brot, mehr nicht.«
»Ich fahr da nicht noch mal raus«, sagt Hannah.
»Ooooh, da lässt sie sich aber bitten. Das gefällt mir, Hannah, echt. Da schlägst du ja ganz neue Töne an. Musst dir jetzt aber keine grauen Haare wachsen lassen. Dann komm ich eben zu dir. Sonntagmittag?«
»Dieses Wochenende hab ich schon was vor«, sagt Hannah.
»Das wird ein Riesenspaß. Wir werden uns totkichern und uns gegenseitig alle Geheimnisse verraten.«
»Ich sagte gerade, ich hab schon was anderes vor.«
»Dann ist also alles klar«, sagt Fig. »Ich freu mich ja so, dich endlich wiederzusehen.«
Der Typ steht wieder am Empfang, als Hannah das nächste Mal in die Vergabestelle kommt, um einen Antrag abzugeben. Sobald er sie sieht, sagt er: »Hannah, so heißt du doch?«
»Hey«, sagt sie.
»Ich heiße Mike. Falls es dich interessiert. Wie geht’s?«
Außer ihr sind noch zwei Leute im Wartezimmer – ein sportlich wirkender Typ, der den
Economist
liest, und eine Frau mittleren Alters, die einfach dasitzt –, und es kommt Hannah etwas seltsam vor, in deren Beisein so vor sich hin zu plaudern.
»Gut, danke«, antwortet sie.
»Hast du am Wochenende schon was vor?«
»Nichts Bestimmtes. Kann ich das bei dir abgeben?« Sie überreicht ihm den Antrag, ein loses Blatt.
|177| Doch als sie etwa zwanzig Meter Richtung Ausgang zurückgelegt hat, kommt er ihr nachgerannt. Er ruft: »Hey, Hannah«, und als sie stehen bleibt, sagt er: »Magst du Jazz?
Weitere Kostenlose Bücher