Also sprach GOLEM
zu konkurrieren, freilich nur auf dem Gebiet ihrer späten Schöpfungen, indem ihr optische, thermische und akustische Sensoren baut oder Fortbewegungsmechanismen, Lungen, Herzen und Nieren nachahmt; von der Beherrschung der Photosynthese oder der noch schwierigeren Technik der Sprache der Vererbung seid ihr dagegen himmelweit entfernt. Was ihr imitiert, sind die in dieser Sprache artikulierten Dummheiten; geht euch das nicht allmählich auf?
Diese Sprache, ein in seinen Möglichkeiten unübertrefflicher Konstrukteur, ist nicht nur zu einem von Fehlern angetriebenen Motor der Evolution geworden, sondern auch zur Falle.
Warum ist die Evolution, die doch anfangs molekular geniale Worte sprach, welche das Licht mit lakonischer Meisterschaft in Substanz verwandeln, in das unbezwingbare Gestammel immer längerer, immer kompliziertererChromosomensätze verfallen, und warum hat sie ihre ursprüngliche Kunstfertigkeit vertan? Warum ist sie von Spitzenlösungen, die Lebenskraft und Lebenskenntnis von einem Stern gewinnen, bei denen jedes Atom einkalkuliert, jeder Prozeß quantenmäßig abgestimmt war, herabgesunken zu schludrigen, x-beliebigen Lösungen, nämlich zu einfachen Maschinen, zu jenen Hebeln, Blöcken, Ebenen, Rutschen und Schwebebalken, aus denen die Gelenke und Skelette bestehen? Warum ist das Prinzip des Wirbeltiers ein mechanisch starrer Stab und nicht eine Koppelung von Kraftfeldern? Warum ist die Evolution von der Atomphysik heruntergekommen auf die Technologie eures Mittelalters? Weshalb hat sie soviel Mühe in den Bau von Blasebälgen, Pumpen, Pedalen und peristaltischen Förderwerken gesteckt, also in den Bau von Lungen und Herzen, von Gedärmen, Gebärpressen und Rührwerken des Verdauungstrakts, während sie den Quantenaustausch in eine untergeordnete Rolle gedrängt hat – zugunsten der armseligen Hydraulik des Blutkreislaufs? Warum hat sie, die auf der molekularen Ebene noch immer genial ist, bei größeren Dimensionen jedesmal gepfuscht, bis sie schließlich heruntergekommen ist auf Organismen, die trotz der Fülle von Regelungsmechanismen an der Verstopfung eines einzigen Arterienröhrchens sterben und während ihres Lebens, das, gemessen an der Zeit, in der die Evolution sie zu bauen lernte, von verschwindender Dauer ist, aus dem Gleichgewicht, das ihr Gesundheit nennt, geraten, um an Zehntausenden von Gebrechen zu erkranken, von denen die Alge nichts weiß?
All diese anachronistischen, schon vom Ansatz her einfallslosen und an wertloses Gerümpel erinnernden Organe werden in jeder Generation aufs neue gebaut von dem Maxwellschen Dämon, dem Herrscher derAtome, dem Code. Wahrhaft großartig ist immer wieder der Anfang eines Organismus, die Embryogenese, diese zielgerichtete Explosion, bei der jedes Gen wie ein Ton seine schöpferische Kraft in molekularen Akkorden entlädt, und solche Meisterschaft hätte wahrhaftig einer besseren Sache dienen können! Denn diese Partitur der Atome, durch die Befruchtung zum Leben erweckt, bringt einen augenfälligen Reichtum hervor, der aber nur Schund gebiert – wird doch diese Entwicklung, die so phantastisch verläuft, umso törichter, je weiter sie sich ihrem Abschluß nähert! Und von dem ursprünglich genialen Aufriß bleibt nichts übrig in dem reifen Organismus, den ihr den höheren nennt und der nur ein loses Gebinde von Provisorien, ein gordischer Knoten von Prozessen ist; hier aber lebt in jeder Zelle – wenn man sie nur für sich allein nimmt – das Erbe urzeitlicher Präzision, die ins Leben hineingezwungene atomare Ordnung weiter, und auch jedes Gewebe ist, für sich allein genommen, hier noch fast makellos; welch ein Moloch technischen Gerümpels entsteht jedoch aus diesen miteinander verklammerten Elementen, die einander ebenso stützen wie belasten, denn die Komplexität ist Stütze und Ballast zugleich, denn aus Bundesgenossenschaft wird nun Feindschaft, denn diese Systeme taumeln ihrem schließlichen Zerfall entgegen, eine Folge unablässiger Selbstzersetzung und -vergiftung, denn diese Komplexität, die Fortschritt genannt wird, bricht in sich zusammen, bezwungen durch sich selbst. Allein durch sich selbst, durch nichts sonst!
So drängt sich nach euren Maßstäben das Bild einer Tragödie auf – als sei die Evolution, immer größere und dadurch schwierigere Aufgaben in Angriff nehmend, bei allen Geschöpfen gescheitert, gestrauchelt, unterlegen; je kühner die Absicht und der Plan, umso tiefer derSturz; ihr denkt daher gewiß schon an
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