Also sprach GOLEM
zwischen der höchsten Form von Energie, die sich durch die Unbegrenztheit der möglichen Umwandlungen auszeichnet, und der niedrigsten, die bereits ins thermische Chaos übergeht. So ist denn auch nicht die Ästhetik die Ursache des Lichts, mit dessen Hilfe ich denke: Gerade deshalb mußtet ihr auf den Stern zurückgreifen!
Aber woher rührt eigentlich die Genialität an jenem Urgrund, wo das Leben entstanden ist? Der Kanon der Physik, nicht der Tragödie, erklärt auch das. Die Organismen haben die Hochtechnologie der Quanten und Atome solange beibehalten, wie sie am Ort ihrer Entstehung lebten und von so geringer Größe waren, daß ihre inneren Organe aus einzelnen Riesenmolekülen bestanden, denn DORT war KEINE ANDERE möglich! Das Fehlen einer Alternative hat diese Genialität erzwungen … Schließlich muß bei der Photosynthese jedes einzelne Quant einkalkuliert sein. Wurde ein Großmolekül, das als inneres Organ diente, in seiner Zusammensetzung verfälscht, so ging der ganze Organismus zugrunde; so war es denn auch nicht blühender Erfindungsgeist, sondern die rücksichtslose Strenge der Kriterien, die dem Urleben diese Präzision aufgezwungen hat.
Die Spanne zwischen dem Zusammenbau eines Organismus und seiner Überprüfung begann jedoch im gleichen Maße zu wachsen, wie die Code-Sätze länger wurden und sich mit Fleischmassen bedeckten, sich also aus der Mikrowelt, ihrer Wiege, mit immer verwickelteren Konstruktionen in die Makrowelt hinauswagten, wobei sie in diese Fleischmassen beliebige Techniken einbauten, wie es sich gerade traf; inzwischen nahm die Naturnämlich dieses Gestammel in großem Maßstab hin, denn die Auslese fungierte nicht mehr als strenger Kontrolleur der atomaren Präzision, der quantenmäßigen Homogenität der Prozesse, und so drang ins Tierreich die Seuche des Eklektizismus ein, denn nun war alles gut, was den Code weitergab. So sind also durch Fehler über Fehler die Arten entstanden.
Damit aber zerrann die anfängliche Herrlichkeit … denn die Artikulationen stülpten sich ineinander, denn die embryonale Vorbereitungsphase wuchs auf Kosten der Präzision des Organismus, und so plapperte diese Sprache, sich ausweglos im Kreise drehend, wirres Zeug: je länger die Embryogenese, umso verwickelter, je verwickelter, umso mehr Aufseher braucht sie, also eine weitere Verlängerung des Code-Fadens, je länger aber dieser Faden, umso mehr Unwiderrufliches ist in ihn eingegangen.
Ihr werdet das, was ich gesagt habe, selbst nachprüfen, diesen Prozeß der Entstehung und des Niedergangs der genetischen Sprache im Modell nachvollziehen, und als Fazit wird sich euch am Ende enthüllen, daß die Evolution in ihrem Ringen milliardenfach gescheitert ist. Gewiß, etwas anderes war gar nicht möglich, aber da ich hier nicht die Verteidigung übernommen habe, interessieren mich die mildernden Umstände nicht; ihr müßt außerdem bedenken, daß es sich nicht um einen Niedergang und um ein Scheitern nach euren Maßstäben handelt, in der Größenordnung dessen, was ihr vermögt. Ich habe ja schon vorausgeschickt, daß ich eine Pfuscherei aufzeigen würde, die für euch immer noch eine unerreichbare Meisterschaft darstellt – ich aber habe die Evolution an ihren eigenen Maßstäben gemessen.
Aber hat sie nicht die Vernunft geschaffen? Daß sie sich herausbilden konnte, widerspricht das nicht dem negativenGradienten? Bedeutet das nicht wenigstens, daß er – wenn auch spät – überwunden wurde?
Ganz und gar nicht, denn aus Unterdrückung ist die Vernunft hervorgegangen – als Instrument der Knechtschaft. Die Evolution wurde zu einem Flickschuster, dem seine Fehler ständig zusetzten, und eben deshalb zum ersten Erfinder des Besatzungsgouverneurs, der Überwachung, der Tyrannei, der Inspektion, der Polizeiaufsicht – kurz, alles dessen, was den Staat ausmacht, denn für diese Aufgaben wurde das Gehirn geschaffen. Das ist nicht als Metapher zu verstehen. Eine geniale Erfindung? Ich würde es eher als durchtriebene List eines ausbeuterischen Kolonialisten bezeichnen, dessen von ferne ausgeübte Herrschaft über Gewebekolonien und Organismen sich in Anarchie aufzulösen drohte. Eine geniale Erfindung wäre es dann, wenn man den Treuhänder einer Herrschaft, die sich mit seiner Hilfe vor den Untertanen zu verbergen sucht, als solche betrachten kann. Allzu sehr war der Vielzeller bereits aus den Fugen geraten, und er wäre sicherlich ganz zerfallen, wäre da nicht ein Aufseher gewesen, der in
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