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Alta moda

Alta moda

Titel: Alta moda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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braunen Augen starrten ihn erschrocken an.
    »Ich kann nicht warten, Signorina. Sie hätten das Verschwinden Ihrer Mutter sofort melden müssen. Was haben Sie sich bloß davon versprochen, es so lange hinauszuziehen, Sie und Ihr Bruder? Und wieso kommen Sie jetzt zu mir? Sie hätten wenigstens 112 anrufen sollen. Hallo? Ja, ich bin noch dran… Sagen Sie ihm, es ist Guarnaccia, von der Wache im Pitti. Danke. Nein, er kann zurückrufen.« Der Maresciallo legte auf. »Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Warum ausgerechnet zu mir? Warum erst jetzt?«
    »Es ist nicht meine Schuld, ich hab Ihnen doch gesagt, Leonardo war dagegen. Er wollte weder die Polizei noch die Carabinieri einschalten, für den Fall, daß… Er weiß nicht mal, daß ich hier bin. Ich wollte Sie schon letzte Woche verständigen. Man kann mir also keinen Vorwurf machen, egal, was passiert.«
    »Vor zehn Tagen! Um welche Zeit?« Für eine Ringfahndung war es längst zu spät.
    »Am späten Abend, fast schon Mitternacht.«
    »Und Ihr Bruder hat Angst, daß man sie entführt haben könnte, stimmt’s? Und er wollte auf eigene Faust handeln, weil er befürchtet, bei einer Anzeige würde der Staat Ihre Guthaben einfrieren, richtig?«
    »Ja, aber ich sehe das anders. Wir müssen endlich etwas tun, damit sie gefunden wird, sie und ihre Entführer, sonst machen wir uns noch mitschuldig wegen Unterlassung und Begünstigung einer Straftat. Außerdem, wer weiß, ob die ihre Geiseln nicht trotzdem umbringen, selbst wenn man zahlt? Womöglich ist sie schon tot.«
    »Was macht Sie so sicher, daß Ihrer Mutter etwas zugestoßen ist? Leute verschwinden aus den verschiedensten Gründen, nicht selten auch aus freien Stücken.«
    »Aber sie war doch bloß vor dem Schlafengehen noch mal kurz mit dem Hund draußen. Normalerweise gehe ich abends mit Tessie runter, weil Olivia und mein Bruder immer bis spät in die Nacht arbeiten. Ich dagegen bin ein Morgenmensch, weil ich finde, man sollte seine Arbeit zeitig erledigen, solange man noch frisch ist. Aber an dem Abend hatte ich schon geduscht und war auf mein Zimmer gegangen, also hat sie Tessie ausgeführt. Und als sie nicht wiederkam und Leonardo nach ihr sehen wollte, da fand er im Hof die abgerissene Schlaufe von der Hundeleine. Und ihr Wagen war verschwunden. Sie ließ den Schlüssel meistens stecken, weil sie ihn sonst doch nur verlegte, und da das Hoftor abends nach acht immer abgesperrt wird…«
    »Außer vielleicht während der paar Minuten, die man mit dem Hund draußen ist?«
    »Na ja, die Torflügel sind so schwer, daß eine Frau kaum damit zurechtkommt. Olivia wollte schon mal eine kleine Einlaßpforte einbauen lassen, aber damit hätte man das Portal verschandelt. Und dann sagt sie auch immer: Wenn ein Dieb irgendwo rein will, dann findet er schon einen Weg, und wer sein Auto abschließt, der muß sich – wenn und falls er es wiederbekommt – auch noch über eine eingeschlagene Scheibe ärgern.«
    »Da muß ich ihr recht geben. Können Sie den Wagen beschreiben? Haben Sie das Kennzeichen?«
    »Ich hab’s aufgeschrieben.« Sie entnahm ihrer ledernen Umhängetasche ein Blatt Papier und reichte es ihm. Er warf einen Blick darauf und legte den Zettel neben das Telefon.
    »Was ist mit dem Hund? Wie würden Sie den beschreiben?«
    »Sehr klein, mit rötlichblondem Fell.«
    »Und die Rasse?«
    »Eine Promenadenmischung. Olivia hat ihn vor dem städtischen Hundezwinger bewahrt. Sie hatte ein recht sentimentales Verhältnis zu Tieren und fand es verrückt, teures Geld für ausgefallene Rassezüchtungen zu zahlen, solange es eine Menge mißhandelter Hunde gibt, die ein Zuhause brauchen.«
    »Sie sehen das anders?«
    »Nur wegen der Gesundheitsgefahr. Diese herrenlosen Tiere können Leukämieträger sein. Aber ich habe den Hund von einem Tierarzt untersuchen lassen. Bei uns bin meistens ich diejenige, die an solche Sachen denkt, weil ich sehr praktisch veranlagt bin.«
    »Ah ja. Was Ihre Mutter angeht… gemeldet hat sich noch niemand bei Ihnen, oder?«
    Sie schüttelte den Kopf. Ihre Wangen glühten noch immer vor Erregung, und der Maresciallo konstatierte schuldbewußt das verräterische Glitzern in ihren Augen. Er hatte sie wohl sehr grob angefaßt. Und als die zarte junge Frau mit den schmalen weißen Händen, die apathisch in ihrem Schoß ruhten, jetzt tatsächlich zu weinen anfing, da fühlte er sich dieser ätherischen Erscheinung gegenüber noch mehr als sonst wie ein Elefant im Porzellanladen. Freilich

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