Alta moda
Dienste polizeilicher Aufklärung‹ offiziell genehmigt werden konnten. Er vermutete zu Recht, daß man mit dieser Sonderklausel präparierte Geldscheine in Kauf nahm, eventuell sogar den polizeilichen Zugriff während der Übergabe, und erklärte sich mit ersterem einverstanden, lehnte jedoch die zweite Maßnahme als zu gefährlich für das Leben seiner Mutter ab.
Im Anschluß an eine Konsultation des Familienbankiers hatte er eine Bilanz vorbereitet. Nach dem Tod seines Vaters, so erklärte er, seien zwei Drittel des Familienbesitzes ihm und seiner Schwester zugefallen. Sie besaßen jeder einen Investmentfonds, langfristig angelegt zwar, aber wenn es um Leben und Tod ging, würde er die Gelder gewiß rasch freibekommen. Eine Reihe von Ferienwohnungen, die die Contessa renoviert und in schweren Zeiten an Touristen vermietet hatte, konnten zu einem stattlichen Preis an die Bank verkauft werden, womit sich – alles in allem – die Lösegeldsumme hoffentlich würde aufbringen lassen. Und schlimmstenfalls mußten sie eben eine Hypothek auf den Palazzo aufnehmen. Möglich wäre auch das, da ihm und seiner Schwester zwei Drittel des Besitztums gehörten, über das sie zudem notarielle Vollmacht besaßen, wohingegen ihre Mutter Anspruch auf ein Drittel und die Nutznießung hatte.
Der Maresciallo, der nie mehr besessen hatte als das, was er im Monat verdiente, und dem sein Vater nichts weiter hinterlassen hatte als eine kranke Mutter, war gleichwohl klug genug, sich weder nach der Höhe des erwähnten Fonds zu erkundigen noch nach dem Land, in dem die Geschwister ihr Geld angelegt hatten. Umgekehrt behielt er auch seine Informationen für sich, wonach die Contessa ihren Gatten ausbezahlt und sich lange vor dessen Tod die Verfügungsgewalt über das Familienvermögen gesichert hatte. Und er hütete sich, etwas von diesem Gespräch schriftlich festzuhalten. Derlei Informationen waren so elastisch wie das Gesetz über ihre Auswertung.
»Die Härtefallklausel können Sie ganz gewiß geltend machen«, war alles, was er sagte, bevor sie in den weißen Salon zurückkehrten.
Den Zeitpunkt seines Besuches hätte er nicht besser wählen können. Als er und Leonardo das Wohnzimmer betraten, wollte Caterina die Reporter und Fotografen offenbar gerade zur Tür begleiten. Sie sah sehr elegant aus in ihrem langwallenden Gewand und hatte wohl ein bißchen Rouge aufgelegt, denn sie erschien dem Maresciallo längst nicht mehr so blaß wie zuvor. Da ein Kompliment unter den gegebenen Umständen deplaziert gewesen wäre, begnügte er sich mit einem väterlichen Blick und ein paar Dankesworten für ihre Hilfe, die er ihr im allgemeinen Aufbruch unbemerkt zuraunte.
»Sie machen das sehr gut. Ich bewundere Ihre Geduld.« Sie hatte die Situation offenbar so gut im Griff, daß es wohl kaum noch vonnöten war, sie an die Geschichte mit dem Hündchen zu erinnern.
»Die wollen noch ein paar Aufnahmen vom Atelier machen. Ich werde mit runtergehen, muß mir vorher nur rasch was anderes anziehen.«
»Ja, tun Sie das, es ist sehr kalt draußen. Da brauchen Sie schon was Wärmeres.«
Da sie nicht alle auf einmal in den Aufzug gepaßt hätten, ging der Maresciallo mit dem Journalisten Nesti zu Fuß hinunter. Die beiden kannten sich schon seit Jahren.
»Na, wie geht’s voran?« fragte Nesti.
»Wir tappen noch ziemlich im dunkeln.«
»Allerdings«, gab Nesti mürrisch zurück und zündete sich eine Zigarette an. »Man weiß nicht mal, ob wir’s mit einer Entführung zu tun haben oder mit einem clever inszenierten Karriereschub.«
Unten angekommen, gesellte Nesti sich ohne ein weiteres Wort zu seinen Kollegen. Der Maresciallo war wie vor den Kopf geschlagen. Sie kannten sich weiß Gott zu gut, als daß Nesti ihn für beförderungssüchtig halten konnte. Und dieser Staatsanwalt Fusarri mochte exzentrisch sein, aber jeder wußte, daß er es sich dank eines stattlichen Privatvermögens leisten konnte, seinem Beruf rein aus Interesse nachzugehen. Gut, der Capitano war ehrgeizig, das ließ sich nicht leugnen. Mittags, bei der Pressekonferenz, hatte er ausdrücklich die bereits erzielten Fortschritte gerühmt und – wenn auch in moderater Form – seine Entschlossenheit betont, alles daranzusetzen, damit der Fall in den Händen der Carabinieri bleibe.
Aber ob ehrgeizig oder nicht, der Maresciallo hatte großen Respekt vor der Gewissenhaftigkeit und Integrität seines Vorgesetzten. Nesti war soweit ganz vernünftig – jedenfalls für einen
Weitere Kostenlose Bücher