Alta moda
Assistenzprofessor und habe mich abgemeldet. Er war sehr verständnisvoll, aber auch bestürzt, denn ich bin eine seiner besten Studentinnen, vielleicht sogar die beste, die er je hatte, aber als ich ihm gesagt habe, was für eine schlimme Zeit wir durchmachen, da hatte er ein Einsehen.«
»Aber Sie können sich doch bestimmt wieder einschreiben, nachdem…« Der Maresciallo wußte nicht, wie er diesen Satz mit Anstand zu Ende bringen sollte.
»Wie kann ich jetzt an so was denken? Wo man doch gar nicht weiß, was passieren wird. Wenn Olivia tot ist, wenn sie nicht wiederkommt, dann muß ich mich hier um alles kümmern. Und das heißt, auf mein Studium verzichten.«
»Aber Ihr Bruder…«
»Das ist nichts für Leo. Ich spreche von der Leitung dieses Hauses und von der Verwaltung des übrigen Familienbesitzes. Künstlerisch, ja, da ist Leo sehr begabt, aber er kümmert sich auch um nichts anderes, sitzt halbe Nächte über seinen Computergrafiken. Und verschläft dann die regulären Geschäftszeiten. Nein, nein, das bleibt alles an mir hängen.«
»Ja, wenn das so ist…« Der Blick des Maresciallos wanderte zu der vergrößerten Schwarzweiß-Aufnahme über dem Schreibtisch, die sie im Ballettkostüm zeigte.
»Es ist allerdings sehr, sehr schade, wo Sie doch Ihrem Studium zuliebe aufs Tanzen verzichtet haben. Könnten Sie das nicht wieder aufnehmen? Gerade jetzt würde Ihnen das guttun: Sie hätten Bewegung, ein bißchen Ablenkung. Es hilft niemandem, und Ihnen schadet es nur, wenn Sie sich hier abkapseln.« Sie stand hoch aufgerichtet und reglos, drehte nur den Kopf weg und nahm ihn, wie es ihre Art war, von der Seite her ins Visier.
»Klassisches Ballett ist kein gymnastischer Zeitvertreib. Da wird hart gearbeitet, die besten Schüler werden herausgesiebt und kommen in einen Elitekurs, und dort heißt es fünf Tage die Woche Training, und wenn eine Inszenierung ansteht, kommen die Proben extra hinzu. Ich mußte, wie viele andere auch, vorzeitig ausscheiden, weil das Studium mich zu sehr in Anspruch nahm. Meine Ballettlehrerin, eine ehemalige Primaballerina, hat mir das schrecklich verübelt, was ja auch verständlich ist. Sie setzt alles daran, eine Kompanie aufzubauen, da ist es natürlich hart, einen Schüler, mit dem man jahrelang gearbeitet hat, zu verlieren… Wenn ich ihr heute auf der Straße begegne, grüßt sie mich kaum. Ich hätte allerdings sowieso keinen Beruf daraus machen können. Das wäre für jemanden wie mich kaum schicklich gewesen. Tja, und nun werde ich wegen dieser Geschichte auch noch auf mein Studium verzichten müssen.«
»Sie dürfen nicht allzu schwarzsehen. Es dauert vielleicht seine Zeit, ja, aber ich bin überzeugt, daß Sie Ihre Mutter wohlbehalten zurückbekommen werden. Was ist denn heute vormittag bei Ihrem Gespräch mit dem Staatsanwalt herausgekommen?«
»Ach, der hat mich kaum beachtet. Hat sich nur für Patrick interessiert und für diesen Detektiv, den er unbedingt aus London anschleppen mußte. Sie sind sogar beide im selben Hotel abgestiegen, was ich nun wirklich nicht einsehen kann. Wo Patrick sonst immer bei uns wohnt.«
Der Maresciallo, der das, eingedenk des duftig weißen, durchsichtigen Negligés und einer Bemerkung der weinenden Sylvia, auch angenommen hatte, enthielt sich gleichwohl jeden Kommentars.
»Aber daß er einen Fernsehauftritt für Sie und Ihren Bruder arrangiert hat, das hat er Ihnen schon erklärt?«
»Ja, hat er. Patrick kommt auch mit, aber der Staatsanwalt meint, das Reden sollte er Leo überlassen. Ich finde ja, ein Appell an die Entführer, meine Mutter zu schonen, wäre wirkungsvoller, wenn er von mir käme. Ich weiß nur noch nicht, was ich anziehen soll. Ich will alles richtig machen, und Leo ist mir da gar keine Hilfe.«
Der Maresciallo war erst recht keine.
»Lassen Sie nur, ich werde Patrick fragen.«
Sie trug Schwarz. Ein ganz schlichtes schwarzes Kostüm. Keinen Schmuck, bis auf den obligatorischen Brillantring, den sie unablässig am Finger drehte, während Leonardo Brunamonti sprach. Dann war sie plötzlich ganz allein im Bild. Und schon bog sie jäh den Kopf weg und starrte mit ihrem erschrockenen Seitwärtsblick in die Kamera, als fürchte sie einen feindlichen Angriff.
»Das arme Ding kann vor lauter Aufregung nicht sprechen«, sagte Teresa. Sie setzte sich zu ihrem Mann, der die Spätnachrichten schaute, aufs Sofa und reichte ihm eine Tasse Kamillentee.
Patrick Hines hatte sie offenbar gedrängt, doch auch etwas zu
Weitere Kostenlose Bücher