Alta moda
rettungslos in ihn verliebt. Nach all den langweiligen Milchgesichtern daheim war er für mich wie eine Offenbarung. Und dann, als er uns verlassen hatte, wie sollte ich Caterina da für den so schmerzlich vermißten Vater entschädigen, wo meine Liebe ihr doch nichts bedeutete? Ich behalf mich mit kleinen Tricks, wie wir das alle bisweilen bei unseren Kindern tun. Ich überraschte sie mit kleinen Geschenken, die angeblich von ihm kamen. Das würde ich, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, nicht noch einmal tun, oder zumindest glaube ich heute, daß es falsch war, aber ich litt so mit ihr, wenn ich sah, wie sie sich still und stumm nach ihm verzehrte. Ich wußte nicht, wie ich ihr sonst hätte helfen können. Sein Tod war fast wie eine Erlösung für mich. Caterina war erst zehn, Leo vierzehn, und ich fabrizierte damals meinen größten Betrug, ein ›Testament‹, das den beiden am Tage ihrer Volljährigkeit zwei Drittel des Familienbesitzes zusprach. Ugo hatte tatsächlich ein Testament hinterlassen, aber das bestand aus lauter Hirngespinsten, und ich machte, in Absprache mit unseren Anwälten, etwas Handfestes daraus – die Kinder wissen bis heute nichts davon, also sprechen Sie bitte mit niemandem darüber, ja? Was ich getan habe, tat ich, um sie zu schützen und ihnen die Wahrheit über ihren Vater zu ersparen. Jedenfalls redete ich mir das damals ein. Heute mißtraue ich meinen Motiven. Ich fürchte, ich wollte Gott ins Handwerk pfuschen und Schicksal spielen, die Wirklichkeit neu erfinden. Es war ein schönes Gefühl, ich kam mir so großmütig und mächtig vor, indem ich meinen Kindern ein stattliches Erbe und einen treusorgenden Vater schenkte. Tatsächlich aber war es das Brunamonti-Erbe, und dafür hatte Ugo ebensowenig übrig gehabt wie für seine Kinder. Eitelkeit… Eitelkeit und Anmaßung hatten bei meinem Coup die Hand im Spiel. Ugo, müssen Sie wissen, besaß längst keine Lira mehr. An sein Familienerbe dachte er immer nur dann, wenn er es beleihen wollte, und an uns hat er nie einen Gedanken verschwendet. Ich hatte ihn längst ausbezahlt und mir die Verfügungsgewalt über den Besitz gesichert. Kleinere Immobilien verkaufte ich und investierte den Erlös in mein Atelier und in einen Treuhandfonds für jedes Kind. Kurz bevor Ugo starb, machte Leo eine schwere Zeit durch, vielleicht die schlimmste in seinem jungen Leben. Einmal trafen sie sich in einem Lokal in der Stadt, oder gingen vielmehr aneinander vorbei, denn Ugo war in einem jämmerlichen Zustand. Für Leo war das ein entsetzlicher Schock. Caterina blieb so etwas Gott sei Dank erspart, aber um so schlimmer traf sie sein Tod. Sie vergoß keine Träne, meine Tochter weint überhaupt nie. Ich bin sicher, das hat sie auch während dieser schrecklichen Zeit nicht getan. Mir macht es immer angst, sie so versteinert zu sehen, da ich mir doch vorstellen kann, wie sie leiden muß. Als Ugo starb, war sie noch zu klein, um das mit dem Testament zu begreifen, und darum gab ich ihr das einzige, was mir von ihm geblieben war, eine lederne Schreibtischgarnitur, die seinem Vater gehört hatte. Ich sagte ihr, es sei sein ausdrücklicher Wunsch gewesen, daß sie die bekommen solle, und sie hat sie immer in Ehren gehalten. Habe ich das falsch gemacht? Ja? Ach, warum konnte er sie nur nicht ein bißchen gern haben, egal, wie er zu mir stand? Ich wollte wiedergutmachen, was er an ihr versäumt hat, aber das ist mir mißlungen, gründlich sogar… und jetzt haben die Kinder meinetwegen eine so schlimme Zeit durchlitten, und ich habe sie obendrein wieder arm gemacht… Entschuldigen Sie, nur einen Augenblick… ich weiß ja, daß ich Unsinn rede. Es war nicht meine Schuld, oder? Bin ich schuld? Ich habe schließlich das Tor aufgelassen… Werfen sie mir das vor? Nur einen Augenblick Geduld, es geht gleich vorüber… Ich wollte Ihnen erzählen… wo war ich stehengeblieben? Ach ja, bei dem Morgen, an dem der Holzfäller meine Augenpflaster wechselte. Er hieß mich die alten abnehmen, was dank der Mullpolster nicht mehr so weh tat. Während ich das Klebeband löste, hockte er sich dicht neben mich und erklärte mir die Notwendigkeit dieser Prozedur: Schweiß und Hautfett weichen mit der Zeit die Beschichtung auf, wodurch die Gefahr bestand, daß ich irgendwann über oder unter dem Rand des Pflasters hätte hinauslugen können. Und wieder schärfte er mir – zu meinem eigenen Besten – ein, ihm Bescheid zu geben, wann immer ich spürte, daß sich die Verbände
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