Alta moda
streckte er Arme und Beine so genüßlich, als mache er sich für einen spannenden Einsatz bereit.
»Ich kenne Elettra schon mein Leben lang, und Sie haben sie trefflich durchschaut. Ich bringe sie dazu, daß sie uns die Geldscheine präparieren läßt. Und nun weiter, Maresciallo. Was ist mit dem basista?«
»Wenn es der Mann ist, den ich im Verdacht habe… nun ja, ich dachte, vielleicht könnten Sie oder der Capitano…«
»Nein, das wäre zu massiv. Wir wollen doch nicht, daß er uns abhaut. Was sagen Sie, Maestrangelo?«
»Ich sehe das auch so – daß es zu massiv wäre –, obgleich ich dabei nicht an Flucht denke. Ich habe den Mann seinerzeit wegen der Villeneinbrüche festgenommen. Der ist kaltblütig und über die Maßen arrogant. Guarnaccia hat eine Routineüberprüfung vorgeschlagen, Verdacht auf Gemäldediebstahl, da könnten wir uns erst mal einen Eindruck verschaffen.«
»So, so, Gemäldediebstahl?« Fusarri hob eine Braue.
»Und haben Sie auch schon ein bestimmtes Bild im Auge, Maresciallo?«
»Nein, nein….« Guarnaccia musterte in höchster Verlegenheit seinen Schuh. Er hatte erwartet, daß der Capitano alles weitere in die Hand nehmen würde, und fühlte sich nun im Stich gelassen. Bei jedem normalen Staatsanwalt hätte man sicher sein dürfen, daß er einen aus einer so wichtigen Lagebesprechung ausklammerte; unbemerkt hätte er sich im Schutze der schweren antiken Möbel in seiner Ecke verschanzen können. Da ihm indes niemand zu Hilfe kam, mußte er wohl oder übel fortfahren.
»In Paris ist ein Gemälde gestohlen worden, das brachte mich auf die Idee…«
»Sie meinen den Corot? Verstehe, ja, ja. Nun, das können wir ihm nicht anhängen, da er schließlich in Florenz ist.« Fusarri blieb abrupt stehen und sah den Capitano erschrocken an. »Er ist doch hier?«
»Aber ja. Gleich als Guarnaccia mir seine Akte rüberschickte, habe ich sein Haus unter Bewachung gestellt. Wir haben uns mit der Abteilung für den Schutz des künstlerischen Erbes in Verbindung gesetzt, und laut deren Erkenntnissen kommen hier nur zwei Kunstdiebstähle in Frage, von denen einer wiederum nicht sein Format hat. Womit wir auf den hier angewiesen sind.« Er zog ein Blatt Papier aus dem Ordner auf seinem Schoß, und Fusarri überflog es.
»Zwei Landschaften… Hm. Und es ist nicht denkbar, daß er tatsächlich was damit zu tun hat?«
»Wir haben keine Verdachtsmomente, nein.«
»Egal, ihren Zweck erfüllen sie auch so. Eine Routineüberprüfung also, aufgrund seiner früheren Delikte, und wer könnte ihm scheinbar harmloser auf den Zahn fühlen als unser Maresciallo hier? Ausgezeichnet. Gut, Maestrangelo, und nun berichten Sie mir, wie weit Ihre verdeckten Ermittlungen oben in den Bergen gediehen sind.«
Der Maresciallo entspannte sich, sobald das Gespräch sich einem anderen Thema zuwandte und er in Ruhe zuhören konnte. Man hatte einen Provianteur entdeckt, der allabendlich mit seinem Moped zu einem verfallenen Bauernhaus im Vorgebirge hinauffuhr und dort eine Tüte mit Vorräten deponierte, die vermutlich im Schutze der Dunkelheit abgeholt wurde. Der Provianteur war ein zwölfbis vierzehnjähriger Hütejunge, den die Ortspolizei als einen Verwandten Puddus identifiziert hatte. Eine Information, mit der vorläufig nichts weiter anzufangen war, denn der Junge war mit Sicherheit nicht eingeweiht und würde ihnen nicht weiterhelfen können. Die in Frage kommenden Geiselwärter hatte man eine Zeitlang beschattet und die Zahl der Verdächtigen auf drei reduziert: einen Fleischträger in den Markthallen, der morgens oft nicht zur gewohnten Zeit von der Nachtschicht heimkam; einen Gewerbetreibenden, der mit Gas und Brennholz handelte und ebenfalls oft nächtelang verschwunden war. Die zwei hatten früher schon mit Puddu zusammengearbeitet, letzterer als Provianteur und später als Geiselwärter, der erste nur als Provianteur. Beide waren vorbestraft und hatten auch schon im Gefängnis gesessen. Der dritte hatte sich nachweislich noch nicht an Entführungen beteiligt, aber seit Jahren immer wieder für Puddu gearbeitet und ein langes Vorstrafenregister wegen kleinerer Vergehen angesammelt. Kürzlich erst hatte er wegen einer Messerstecherei eingesessen, ein Nachspiel der Saalschlacht zwischen der Salis-Sippe und Puddus Leuten, von der Bini gesprochen hatte. Allein, jeder Versuch, diese Männer jetzt festzunehmen, würde nur das Leben der Geisel gefährden. Mit der unmittelbaren Entführung der Contessa aus ihrem
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