Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)
hatten alles außer der Pappe aufgegessen. Dann entdeckte sie einen Krümel Pumpernickel unter einer Serviette, aber anstatt damit auf ihn zu zielen, steckte sie ihn in den Mund.
Sie sah auf, und er grinste. » Was ist?«, fragte sie.
» Nichts. Es gefällt mir nur, wenn eine junge Frau einen gesunden Appetit hat. Ich habe drei Jahre mit einer Balletttänzerin zusammengelebt, und außer Salat habe ich sie nie etwas essen sehen. Sie hatte manchmal solchen Hunger, dass sie mich angesehen hat, als würde sie mich am liebsten dick mit Ketchup bestreichen und…«
Er unterbrach sich, aber er war nicht schnell genug. Zoe spürte, wie ein breites Grinsen an ihren Lippen zerrte, aber ehe sie den Mund aufmachen konnte, deckte ihn Ry mit der Hand zu. Er lachte jedoch selbst, und sie dachte, wie sehr sie sein Lachen mochte.
Ry schenkte ihnen Wodka aus der Flasche nach, die inzwischen schon ganz nett geleert war. » Sie haben also überlegt…?«
» Hm? Ach so, es ist nur, dass meine Großmutter in ihrem Brief geschrieben hat: ›Schau zur Madonna, denn ihr Herz bewahrt das Geheimnis, und der Weg zum Geheimnis ist unendlich‹… ›Die Madonna‹ hat Boris, der Mann aus dem Trödelladen, die Ikone genannt, und die Ikone ist das, wohinter Anna Larina her zu sein scheint. Vielleicht ist also die Ikone oder vielmehr die Komposition des Bilds als solche das Rätsel, das uns zum Altar führen soll.«
» Hey, das ist eine gute Idee. Wir sollten einen Experten für russische Ikonen suchen und sie von ihm ansehen lassen, unter dem Vorwand, dass wir ihren Wert ermitteln wollen. Mal sehen, was er zu sagen…« Seine Stimme verlor sich, aber sie spürte seinen intensiven Blick auf sich. » Sie sind wirklich etwas Besonderes, Zoe, das wissen Sie, oder?«
Zoes Wangen fühlten sich heiß an, sie konnte ihm nicht in die Augen sehen und brachte kein Wort heraus. Sie trank ihren Wodka aus, dann stand sie auf und bürstete sich die Jeans ab. » Ich, äh… gehe mal lieber duschen. Ich habe Hochzeitstorte im Haar und rieche, als würde ich seit Wochen durch Dieseldämpfe waten.«
Als sie sauber und erfrischt aus dem Bad kam, war die Garderobe leer. Die Ikone und die Postkarte, die sie auf dem Tisch hatte liegen lassen, waren verschwunden.
Nein, verdammt noch mal, nein. Und zur Hölle mit dir, Ry O’Malley.
Das konnte er ihr nicht angetan haben, ausgeschlossen. Nach allem, was sie zusammen durchgemacht hatten. Sie hatte ihm vertraut, ihr Innerstes für ihn nach außen gekehrt, ihm alles erzählt. Das würde er nicht tun, sie kannte ihn, er war ein ehrenhafter…
Ja, klar, Dmitroff. Wem willst du hier etwas vormachen? Du weißt einen feuchten Dreck, außer dass er weg ist.
Sie sank langsam auf der Chaiselongue zusammen. Sie würde nicht weinen, verdammt noch mal. Sie würde nicht weinen. Der Geruch der leeren Essenskartons bereitete ihr Übelkeit. Sie fing an, sie zusammenzupacken, und entdeckte die Nachricht, die er auf eine Serviette gekritzelt hatte:
MUSS KURZ WAS ERLEDIGEN
Sie sank auf den Diwan zurück und grinste wie eine Idiotin. Dann brach sie aus dem Nichts in Tränen aus.
Sie nahm eins der farbenfrohen Kissen und vergrub ihr Gesicht darin, damit niemand sie hörte. Ry hatte gesagt, sie sei etwas Besonderes, aber sie fühlte sich im Augenblick nicht so. Sie hatte nur Angst, und sie wollte nach Hause.
Sie schreckte aus dem Schlaf auf und hatte das Gefühl, als sei es spät in der Nacht. Der Raum, der ganze Nachtklub, alles war still und ruhig. Die kleine Lampe auf dem Schminktisch brannte, aber ihr sanftes rosa Licht erhellte kaum etwas. Alles war so ruhig, aber sie wusste, sie war nicht allein.
Sie setzte sich halb auf. » Ry?«
Etwas Großes und Schweres warf sie auf die Liege zurück, eine Hand schloss sich grob über ihren Mund. Und sie sah eine Messerspitze auf ihr linkes Auge zeigen.
Teil Fünf
Das Rätsel
33
» Du wirst mir den Knochenaltar geben, Miststück«, sagte der Mann mit dem Pferdeschwanz, als er rittlings auf ihr saß und ihr mit einer Hand den Mund zuhielt. » Aber um uns beiden Zeit und Ärger zu ersparen, steche ich dir zuerst ein Auge aus. Dann wirst du mir glauben, wenn ich dir sage, was du tun musst, um das zweite zu retten.«
Das matte Licht spiegelte sich im Stahl der Klinge, als das Messer ihr Augenlid berührte. Sie packte sein Handgelenk mit beiden Händen und drehte den Kopf zur Seite, auf ihrer Stirn war plötzlich ein Brennen, und Blut spritzte. Er hatte sie geschnitten, aber noch nicht
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