Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)

ließ es in seine Tasche gleiten.
    Popow war jetzt nicht mehr zu bremsen, es schien eine Erleichterung für ihn zu sein, endlich jemandem erklären zu können, warum er eins der großen Verbrechen des 20. Jahrhunderts begangen hatte.
    » Er trieb uns an den Rand des Atomkriegs, und noch immer unternahm ich nichts. Dann gab Miles Taylor, mein Maulwurf in der Regierung, eines Tages ein höchst geheimes Dokument an mich weiter, und ich sah, dass es ein detaillierter Plan für eine amerikanische Invasion Nordvietnams war, die bereits für den kommenden Frühling angesetzt war. Sechzigtausend Mann Kampftruppen, mit voller Luft- und Seeunterstützung, sollten an den Stränden südlich von Haiphong landen und auf Hanoi zumarschieren. Während eure Luftwaffe die Eisenbahn- und Straßenpässe zwischen Nordvietnam und China mit Atomwaffen zerstören würde.
    Ich halte dieses Dokument in den Händen und lese, wie euer Präsident eine Eskalation von ein paar lästigen Militärberatern in Südvietnam zu einem ausgewachsenen Krieg mit Nordvietnam und China plant, und mit uns Sowjets dazu. Es war reiner Wahnsinn. Und da wusste ich, dass ihn die dunkle Seite des Knochenaltars tatsächlich ergriffen hatte. Dass er um meines Landes willen, um der Welt willen verschwinden musste.«
    Eine Invasion Nordvietnams? Die Pässe mit Nuklearwaffen zerstören? Es erschien Ry unrealistisch. Wahrhaft irrsinnig– und wenn das kein Witz war! Dennoch, wenn man darüber nachdachte, trieben diese » Berater« nach Kennedys Tod die Dinge zu einer Art Invasion voran, allerdings in der Südhälfte des Landes, nicht im Norden.
    Während Popow sprach, hatte sich Zoe ganz auf Ry konzentriert und ihm die Führung überlassen. Jetzt streckte er ihr die Hand entgegen, und sie ging zu ihm. Er legte ihr den Arm um die Taille und zog sie an sich. Popow und seinen beiden Ganoven schien es egal zu sein.
    » Dann beschlossen Sie also ganz für sich allein, dass Präsident Kennedy verschwinden musste«, sagte Ry. » Und Sie zwangen Miles Taylor und meinen Vater dazu, Ihnen zu helfen. Das Geniale des Plans, der Grund, warum er aufging, lag gerade in seiner Einfachheit.«
    Popow wirkte erfreut über das Kompliment. » Wenn man zu viele Leute in eine Verschwörung einbezieht, redet am Ende immer einer, entweder, um den eigenen Arsch zu retten, oder weil er einfach nicht anders kann. Dennoch habe ich nicht vorausgesehen, dass Ihr Vater diesen verdammten Film machen lässt. Da hat er mich überlistet. Miles Taylor würde mir noch viele Jahre von Nutzen sein, aber Ihr Vater? Von dem Moment an, da er abgedrückt hatte, war er entbehrlich, und er wusste es.«
    » Wie Lee Harvey Oswald.«
    » Ach ja, der arme Lee Harvey. Wieso vergesse ich ihn bloß immer? Andererseits hat er nie wirklich dazugehört, außer als Bauernopfer. Sie kennen den Typen. In Russland nennen wir ihn den Parade-Elefanten-Mann– der Mann, der dem Elefanten mit einer Schaufel und einem Eimer voll Scheiße folgt. Ich habe ihm eine wunderbare Geschichte erzählt, dass sich Castro für die vergifteten Zigarren revanchieren wollte, dann habe ich ihn losgeschickt, Geschichte zu schreiben.«
    Popow lachte erneut, und Ry dachte, dass er jetzt eindeutig berauscht von sich selbst aussah– der Star seines eigenen Films. » Und als was für eine Geschichte es sich herausstellte«, sagte er. » Stellen Sie sich vor, eine einzige Kugel aus einem primitiven italienischen Gewehr mit Kammerverschluss wechselt mehrmals die Richtung, um den Präsidenten zu töten und den Gouverneur von Texas zu verwunden. Ein Jammer, dass der arme Oswald nicht mehr lange am Leben blieb, um darüber zu staunen, was für ein Kunstschütze er an diesem Tag gewesen war.«
    » Und Jack Ruby, der Mann, der seinerseits Oswald im Keller der Polizeizentrale von Dallas niederschoss– ich nehme an, den haben wir auch Ihnen zu verdanken, oder? Ein loses Ende, das es abzuschneiden galt?«
    » Natürlich. Lee Harvey Oswald war wie Ihr Vater ein entbehrliches Rädchen in dem Ganzen.«
    Während Popow redete, hatte Ry sich und Zoe ganz langsam von dem Tisch und näher zum Eingang des Schlachthofs geschoben. Er sah, dass es draußen hell geworden war und nicht mehr schneite. Schwaches Sonnenlicht sickerte durch Ritzen in den zerfallenden Mauern.
    Ry schob beiläufig die Hand in die Manteltasche, fand das Feuerzeug und ließ den Deckel aufspringen. Er drückte auf den Benzinhebel und presste den Daumenballen auf das Reibrad. » Ich habe von der