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Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)

Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)

Titel: Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Carter
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einzigen Besuch seit dem Schlaganfall. » Dauerhafter vegetativer Zustand«, hatte das Arschloch gesagt, und Miles hatte mächtig geschrien in diesem Moment, o ja. In seinem Kopf. Du verdammter ignoranter Mistkerl, wo hast du deinen Doktor gemacht? Wenn ich jedes verdammte Wort verstehe, das du sagst, wie kann ich da in einem Zustand sein, in dem es keine kognitive Funktion mehr gibt? Hm? Sag mir das, du Arschloch. Sag mir das.
    Miles schlief viel. Es gab sonst nichts zu tun. Jedes Mal, wenn er aufwachte, dauerte es einen süßen, köstlichen Augenblick, bis er wieder begriff, in welcher Hölle er jetzt lebte. Und dann erinnerte er sich, und er schrie und schrie und schrie.
    Er wollte sterben. Er betete, dass er sterben würde.
    Genau das schrie er in letzter Zeit immer den Ärzten oder Schwestern zu, wenn sie nach ihm sehen kamen. Bitte lasst mich sterben. Um der Liebe Gottes willen, zieht den Stecker und lasst mich sterben.
    Aber sie hörten ihn nie, denn er konnte den Mund nicht öffnen, seine Zunge nicht bewegen oder auch nur Luft holen. Wenn ein Mann schreit, und niemand hört ihn, passiert es dann überhaupt?
    Er wurde rund um die Uhr betreut, vier Schwestern, die ihn badeten und andere Dinge taten, die zu demütigend waren, als dass er daran denken wollte. Er liebte sie, und er hasste sie von Herzen.
    Das neue Mädchen– es hieß Christie– hatte den Mund einer Hure und lange weinrote Haare. Seit ein paar Tagen träumte er von ihr. Erschöpfende erotische Träume. Doktor, Doktor, kann ein Mann immer noch kommen, auch wenn er keinen mehr hochkriegt?
    Heute war Christie in der Nachmittagsschicht, und er stellte fest, dass er so aufgeregt auf sie wartete, dass es beinahe wehtat. Er hatte ihre Stimme vorhin draußen auf dem Flur gehört, deshalb wusste er, dass sie da war, aber die Stunden krochen dahin, und sie kam nicht, kam nicht einmal an der Tür vorbei, sodass er sie sehen konnte. Es war, als würde sie irgendwie spüren, wie verzweifelt er auf sie wartete, und ihn absichtlich leiden lassen.
    Er begann sich zu fragen, ob mehr an ihr war als ihr Mund und das rote Haar, das ihn an Yasmine Poole erinnerte.
    Ein wenig Niederträchtigkeit vielleicht?
    Er schlief ein, während er auf sie wartete, und schreckte plötzlich aus dem Schlaf. Sie stand über ihn gebeugt, das Gesicht nur Zentimeter von seinem entfernt, und er spürte ein merkwürdiges Kribbeln auf der linken Wange. Was hatte sie gemacht? Ihn gekniffen, gestoßen? Geküsst?
    » Sind Sie da drin, Mr. Taylor? Ich glaube, ja. Niemand sonst glaubt es, aber ich schon.«
    Ja, ja, schrie er, so außer sich vor Freude, dass er fast das Bewusstsein verlor. Ich bin hier, ich bin hier. O Gott …
    Das Mädchen beugte sich noch näher zu ihm und senkte die Stimme. » Sie hielten sich für ganz was Tolles, oder? Ich habe alles über Sie in Vanity Fair gelesen, was Sie anderen Leuten angetan haben, um das viele Geld zu machen. Wie Leute Ihretwegen alles verloren haben, und alles, was ihnen dazu einfiel, war: ›Scheiß auf sie.‹«
    Nein, du verstehst nicht. Es ist alles nur ein Spiel, und wenn du jemand sein willst, wenn du zählen willst, musst du das Spiel mitmachen. Das Geld ist nicht einmal echt, es sind nur Zahlen in Computern. Nur Einsen und Nullen. Nicht einmal echt …
    » Aber jetzt sind Sie an der Reihe damit, die Hölle auf Erden zu erfahren, Mr. Taylor.« Das Mädchen strich ihm ach so zart über die Wange. » Und wissen Sie, was ich dazu sage? Ich sage, scheiß drauf, Mr. Taylor. Scheiß auf Sie. Und Sie sollen wissen, dass ich mich von nun an extra gut um Sie kümmern werde, weil ich will, dass Ihre Hölle noch lange, lange andauert.«
    Sie richtete sich auf und warf einen Blick über die Schulter zur Tür. Dann drehte sie sich wieder zu ihm und schlug ihm hart auf die Wange, wo sie ihn einen Augenblick zuvor noch so zart berührt hatte.
    Tränen füllten Miles Taylors Augen, und das Mädchen lächelte, ein durch und durch gemeines Lächeln, aber das war Taylor egal. Sie konnte nicht wissen, dass es Freudentränen waren, die er weinte.
    Schlag mich noch einmal, schrie er wieder und wieder in seinem Kopf. Schlag mich noch einmal.
    Denn ein Gemüse schlug man nicht, oder? Ein Gemüse konnte nichts fühlen, nichts denken. Warum sollte man es also schlagen?
    Schlag mich noch einmal. Schlag mich noch einmal.
    53
    Norilsk, Sibirien
    Eine Woche später
    Zoe sah, wie die große rote Digitaluhr auf dem Firmensitz von Norilsk Nickel auf die nächste Minute

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