Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)
waren wir in einer haarigen Situation nach der anderen, und doch rettest du unseren Arsch und erledigst irgendwelche Schurken, als würdest du tagein, tagaus nichts anderes tun. Es reicht, damit wir Normalsterbliche einen Minderwertigkeitskomplex…«
Ihr Gesäß streifte an etwas, und sie erschrak. Sie zog es ein, und die Vorderseite ihres Anoraks kratzte über den Fels vor ihr. O Gott. » Ry? Es wird eng. Richtig eng…«
» Wir sind da.«
Langsam öffnete Zoe die Augen. Im Licht, das durch die Lücke im Fels sickerte, sah sie, dass sie am oberen Ende einer schmalen Treppe standen, die in die glatte Wand einer scheinbar bodenlos tiefen Grube gehauen war.
Ry machte einen Schritt zum Rand hin, und ein paar Kiesel kamen ins Rollen und landeten auf dem Grund der Höhle, die also offenbar doch nicht so bodenlos war.
» Eigentlich müsste ich mich zu Tode fürchten, da hinunterzugehen«, sagte Zoe, wobei sie aus irgendeinem Grund flüsterte. » Aber nachdem ich diesen Durchgang eben überstanden habe, kommt es mir vor, als könnte ich Saltos die Stufen hinunter schlagen.«
Ry grinste, zog eine Taschenlampe hervor und richtete sie in die Höhle. » Es ist gar nicht so tief«, sagte er. » Fünf, sechs Meter vielleicht.«
Der Abstieg war zwar steil, aber leichter, als er aussah. Unten fanden sie eine Kerosinlampe an einem Haken. Ry nahm sie ab und schüttelte sie leicht. » Fühlt sich voll an.«
Zoe sah ihm zu, wie er ein Feuerzeug an den Docht der Lampe hielt. Dann reckte er sie in die Höhe, und sie drehten sich langsam zusammen im Kreis, während das Licht über die Wände der Höhle wanderte. Sie war beinahe vollkommen rund und nicht allzu groß, vielleicht sieben Meter im Durchmesser. Ein übel aussehender, ölig schwarzer Tümpel nahm eine große Fläche in der Mitte ein, und dahinter stand an der Felswand ein Altar aus Menschenknochen. Ein heißer Geysir sprudelte darunter und hüllte den Altar in einen Dampfschleier.
» Der Knochenaltar«, sagte Ry.
» Aber nicht der Altar. Wenn Popow in dieser Hinsicht die Wahrheit gesagt hat– und es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln. Es ist allerdings unheimlich, sich vorzustellen, dass alle diese Knochen einmal Menschen waren. Wer ihn wohl erbaut hat und warum?«
» Vielleicht zur Verehrung einer alten Gottheit. Aber er könnte auch die ganze Zeit nur als Ablenkungsmanöver gedient haben, damit Leute wie Popow, die bis hierhergelangt sind, glauben, sie hätten die Quelle des Knochensafts gefunden, während der richtige Knochenaltar woanders ist.«
» Ja, aber wo?«, fragte Zoe. » Ich sehe nichts anderes hier unten, das er sein könnte, außer vielleicht dem Tümpel. Aber abgesehen davon, dass es ohnehin zu offensichtlich wäre, hat Popow ja gesagt, dass er ihn untersuchen ließ, und er ist es nicht.«
Ry leuchtete noch einmal die Wände ab. Wasser tropfte mit melodischem Plopp-ploppeti-plopp von der Decke in den Tümpel. Zoe sah Stalagmiten, ein paar morsche Stücke Holz, die Reste eines Lagerfeuers und eine zerbeulte Blechschüssel. Die groben Umrisse von sieben Wölfen waren in den Stein geritzt, sie jagten einer hinter dem anderen her, in einer Endlosschleife rund um die Höhle.
» Die Wölfe…«
» Was?«, fragte Ry.
» Da war etwas, das meine Großmutter am Ende ihres Briefs geschrieben hat. Dass man nicht dorthin treten soll, wo Wölfe liegen. Vielleicht sind diese in den Fels geritzten Wölfe eine Art Hinweis darauf, wo der echte Altar ist. Ein weiteres Rätsel der Hüterinnen.«
» Ich weiß nicht. Zum einen liegen sie nicht. Andererseits sind wir mit Rätsellösen immerhin bis hier gekommen. An wie viel aus dem Brief deiner Großmutter erinnerst du dich noch?«
» Nicht an jedes Wort, aber an große Teile daraus. Mal sehen… Am Anfang ging es darum, dass sie keine Zeit mehr hat und die Jäger ihr dicht auf den Fersen sind und dass sie sich wegen der Jäger von mir ferngehalten hatte, aber da sie jetzt sterbe…«
In diesem Moment begriff Zoe plötzlich genau, was ihre Großmutter empfunden haben musste, als sie den Brief schrieb, vielleicht weil Zoe es in diesen quälenden letzten zwei Wochen selbst erlebt hatte– das Gefühl, dass man an keinem Ort der Welt jemals mehr sicher sein würde und niemandem trauen durfte, den man traf. Aber für ihre Großmutter war es schlimmer gewesen, denn sie hatte es allein durchstehen müssen. Viele Jahre lang.
Zoe unterdrückte ihre Tränen und fuhr fort. » Da war etwas, dass Unwissenheit kein Schutz vor
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