Alte Meister: Komödie (German Edition)
gedruckt, einmal zu fett, einmal zu mager, einmal mit zuviel, einmal mit zuwenig Beistrichen, sagte er, jedesmal, wenn ich mir den Andruck habe vorlegen lassen, war alles falsch, das war tatsächlich zum Verzweifeln. Auf dem Höhepunktder Verzweiflung habe ich dem Drucker gesagt, daß ich doch eine ganz genaue Vorlage gemacht habe, daß sich aber der Andruck nie an meine Vorlage hält und daß immer alles falsch ist auf dem Andruck. Darauf hat der Drucker zu mir gesagt, er wisse, wie ein solcher Partezettel zu drucken sei, nicht ich, er wisse, wie der Text zu setzen sei, nicht ich, er wisse, wohin die Beistriche gehörten, nicht ich . Aber ich habe keine Ruhe gegeben und ich habe schließlich genau den Partezettel in Händen gehabt, den ich haben wollte; aber ich habe fünfmal in die Druckerei gehen müssen, sagte Reger, um zu einem Partezettel zu kommen, wie ich ihn haben wollte. Die Drucker sind eingebildete Leute, die auch dann immer noch behaupten, sie hätten recht, wenn sie selbst längst eingesehen haben, daß sie nicht recht haben. Mit den Druckern dürfen Sie sich nicht anlegen, sagte Reger, sie werden sofort aufsässig und drohen Ihnen, alles hinzuwerfen, wenn Sie sich ihrer Borniertheit nicht beugen. Aber ich habe mich den Druckern nie gebeugt, so Reger. Auf dem Partezettel ist nur ein einziger Satz gestanden, so Reger, nur Ort und Zeit des Todes meiner Frau, und doch habe ich fünfmal in die Druckerei gehen und mich auch noch mit dem Drucker anlegen müssen. Meine Frau hat ja gar keinen Partezettel haben wollen, das hatte ich mit ihr besprochen gehabt, aber ich habe doch einen Partezettel drucken lassen, so Reger, aber dann habe ich doch keinen einzigen Partezettel abgeschickt, weil es mir plötzlich, wie ich sie hatte abschicken wollen, unsinnig vorgekommen ist, die Partezettel abzuschicken. Ich setzte nur einen einzigen kurzen Satz in die Zeitung, eben daß meine Frau gestorben ist, sagte Reger. Die Leute treiben einen entsetzlichen Aufwand, wenn einer von ihnen stirbt, ich habe alles so einfach wie nur möglich gehalten, so Reger, wenngleich ich heute natürlich nicht weiß, ob ich richtig gehandelt habe, andauernd habe ich Zweifel in dieser Richtung, diese Zweifel kommen mir jeden Tag seit dem Tod meiner Frau, kein Tag ohne diese Zweifel, das zermürbt mit der Zeit, so Reger.Mit dem Nachlaß gab es nicht die geringste Schwierigkeit, denn sie setzte mich in ihrem Testament sozusagen als Universalerben ein, wie umgekehrt ich sie als Universalerben einsetzte in meinem Testament. Ein solcher Todesfall, geht er noch so tief und glaubt man tatsächlich an ihm ersticken zu müssen, hat auch seine lächerliche Seite, so Reger. Das Fürchterliche ist ja auch immer lächerlich, so Reger. Im Grunde ist das Begräbnis meiner Frau nicht nur ein einfaches, sondern tatsächlich auch ein deprimierendes gewesen, sagte Reger. Wir wollen ein einfaches, auch mit möglichst wenig Leuten, sagte Reger, und haben dann doch nichts anderes, als ein deprimierendes arrangiert. Keine Musik, sagen wir, keine Ansprache sagen wir und denken, dann ist es das einfachste und wir selbst überstehen es so am besten und es deprimiert uns doch zutiefst, so Reger. Nur sieben oder acht Leute, wirklich nur die allernächsten, möglichst keine Verwandtschaft und nur die allernächsten, denken wir und dann kommen nur diese allernächsten, denen wir auch noch gesagt haben, keine Blumen, nichts , und dann ist alles doch sehr deprimierend. Wir gehen hinter dem Sarg her und alles ist deprimierend. Es geschieht alles schnell, nicht eine Dreiviertelstunde dauert es und es deprimiert uns und wir glauben, es hat eine Ewigkeit gedauert, sagte Reger. Ich gehe an das Grab meiner Frau und empfinde gar nichts. Zu Hause ist mir noch heute jeden Tag mindestens einmal zum Heulen, sagte er, ob Sie es glauben oder nicht, aber am Grab meiner Frau empfinde ich gar nichts. Ich stehe da und zupfe Gräser aus, mache diese nervösen, lächerlichen Zupfbewegungen, von welchen ich weiß, daß sie nur eine krankhafte Nervenbefriedigung sind und schaue auf die übrigen geschmacklosen Gräber überall, ein Grab ist geschmackloser als das andere, so Reger. Auf den Friedhöfen sehen wir ganz brutal die äußerste Geschmacklosigkeit der Menschheit. Auf unserem Grab wächst nur Gras und es steht kein Name auf unserem Grab, so Reger, das habe ich mit meiner Frau vereinbart. Kein Spruch,nichts. Die Steinmetze verunstalten die Friedhöfe und die sogenannten Bildenden Künstler
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