Alte Narben - [Kriminalroman aus der Eifel]
dauerte aber nicht lange, bis sie weitersprach. »Guten Tag, Herr Ring. Bärbel Müllenmeister hier. Nein, ich glaube nicht, dass Sie mich kennen. Ich habe mit Freunden und einem kleinen Mädchen an Ihrer Führung letzten Montag teilgenommen – hihi, ja, das bin ich.«
Gustav und Lorenz grinsten sich an.
»Ja, genau. Die Führung war außerordentlich spannend. Und nun habe ich eine Frage, die wirklich sehr, sehr wichtig ist. Sie sprachen doch von der Namensliste der Junker, die auf der Ordensburg ausgebildet wurden. Ja genau. Sagen Sie, diese Liste ist doch nicht geheim, oder? Ach so. Ja. Nun, dann könnten Sie mir doch einfach sagen, ob ein bestimmter Name auf der Liste ist oder nicht. Ja. Gut, das ist sehr freundlich. Also, der Name ist Gernot Korger.«
Es entstand eine Pause. Lorenz und Gustav hielten den Atem an. Bärbel flüsterte: »Er schaut nach. Es dauert etwas, aber er hat das Dokument im Computer.« Dann sagte sie laut: »Oh, tatsächlich. Herr Ring, Sie haben mir sehr geholfen. Das ist sehr wichtig. Warum? Wissen Sie, das ist eine lange Geschichte. Ich verspreche Ihnen, sobald ich mehr weiß, melde ich mich bei Ihnen. Fest versprochen! Vielen Dank und bis bald. Ja, versprochen.« Sie legte auf. Dann sagte sie trocken: »Bingo.«
Lorenz sprang auf und hüpfte im Zimmer umher. »Heureka! Ich hab’s geahnt. Ich hatte es im Urin!«
Bärbel und Gustav brachen in schallendes Gelächter aus. Als sich Lorenz etwas beruhigt hatte, setzte er sich wieder hin.
Bärbel erzählte: »Also, ihr habt ja gehört. Gernot Korger war ein Jahr auf der Ordensburg in Ausbildung. Vielleicht gibt es noch mehr Infos, aber das dauert. Herr Ring ist natürlich sehr interessiert, was wir da verfolgen.«
Lorenz rieb sich die Hände. »Oh ja, wir verfolgen, wir verfolgen. Diesem Korger werden wir einen Besuch abstatten. Bin sehr gespannt, was er uns über seine Ausbildung zu erzählen hat.«
»Aber ist das nicht gefährlich?«, fragte Bärbel.
Lorenz schaute Bärbel grinsend an und murmelte: »Für Kommissar Wollbrand war dies nichts Neues: Seine schöne Assistentin war ebenso klug wie ängstlich. Aber sie würde ihn nicht davon abhalten, diesen Fall zu lösen.«
39. Kapitel
Rita und Paul mussten schon auf dem Weg gewesen sein, als sie Lorenz anriefen und um ein Gespräch baten, denn nur wenige Minuten später klopfte es an seiner Tür. Als die beiden Kommissare sein Zimmer betraten, fiel ihr Blick auf den Bildschirm des Computers, auf dem ein Foto zu sehen war, das Bärbel auf der Ordensburg Vogelsang gemacht hatte. Es zeigte Lorenz, wie er im Schritt des überdimensionalen Fackelträgers stand und grinsend mit seinem Gehstock in die Höhe zeigte. Er wollte den Computer herunterfahren, doch Rita hielt ihn ab.
»Lass mal an, Opa. Zeig doch mal bitte die anderen Fotos von dem Tag.« Sie wartete nicht ab, dass Lorenz dies tat, sondern sie klickte sich selbst durch die weiteren Bilder, die, wie sie richtig vermutete, im gleichen Verzeichnis gespeichert waren und der Reihe nach erschienen. Bei dem Gruppenbild der Männer unter dem steinernen Adler verweilte sie. »Weißt du etwas über diese Männer? Kennst du irgendjemanden aus dieser Gruppe?«
Lorenz schüttelte den Kopf. »Wen sollte ich denn da kennen?«
Paul sagte: »Der Kerl mit der Armbinde, der hat den Kratz beschützt. Angeblich Antifa.«
»Was ist das denn?«, fragte Lorenz.
Rita schüttelte unwillig den Kopf. »Ach komm, Opa, du weißt genau, was das ist. Wir sind auch nicht blöd und blind und wissen, dass ihr Kontakt mit jungen Leuten von der Antifa habt.«
Lorenz brummte: »Wie, schnüffelt ihr mir etwa hinterher?«
»Also jetzt mal Tacheles«, meinte Paul und legte ein Foto auf den Tisch. »Das ist Anna Floto, die Enkelin des ermordeten Wilhelm Floto. Ihr Vater ist Kopf einer rechtsradikalen Kameradschaft. Sie ist dagegen ultralinks.« Paul legte ein weiteres Foto auf den Tisch. »Das ist ihr Freund, Philipp Sinhuber, Künstler aus Berlin, nennt sich Nihil Wedding. Relativ harmlos. Anders als der hier.« Paul warf ein drittes Foto auf den Tisch. »Karl-Heinz Gärtner, Antifaschist, mehrfach vorbestraft wegen Körperverletzung, Teilnahme an verbotenen Demonstrationen, Widerstand gegen die Staatsgewalt, illegaler Waffenbesitz. Hält sich seit Kurzem hier in der Wohnung von Philipp Sinhuber auf. Er ist Mitglied mehrerer linksextremer Organisationen, die allesamt unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen.«
»Woher wisst ihr das alles?«, staunte
Weitere Kostenlose Bücher