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Alte Narben - [Kriminalroman aus der Eifel]

Alte Narben - [Kriminalroman aus der Eifel]

Titel: Alte Narben - [Kriminalroman aus der Eifel] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: KBV Verlags- und Mediengesellschaft
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geschändet. Immer wieder wurden Grabsteine zerstört oder gestohlen.«
    »Wer macht denn so was?«, fragte Benny.
    »Na, dreimal darfste raten«, antwortete Gustav.
    Sie gingen den mit Split belegten Weg entlang und sahen sich um. Der Friedhof war nicht groß. Er maß vielleicht zehn Meter im Quadrat. Lorenz zählte rund zwanzig Grabsteine. Die meisten waren sehr alt und unleserlich, viele wiesen auch Spuren von Zerstörung auf. Auf einigen Grabmalen lagen kleine Steine, die von Besuchern zur Erinnerung an die Toten dorthin gelegt worden waren. Lorenz las die Inschriften, sofern es ihm möglich war. Vieles war verwittert, manches zerstört, und wo die Schrift erhalten war, handelte es sich überwiegend um hebräische Zeichen. Hier und da war ein Name zu lesen, auch das eine oder andere Datum, das jüngste aus dem Jahre 1933. Danach war hier wohl niemand mehr beerdigt worden. Lorenz atmete tief durch. Vermutlich hatten die Nazis dies nicht mehr zugelassen, und nach dem Krieg war niemand mehr da, der hier hätte beerdigt werden können. Er erinnerte sich an die Inschrift einer Gedenktafel, die er auf dem Grund der ehemaligen Synagoge von Drove gelesen hatte:
KEINER KEHRTE ZURÜCK
.
    Ein leichter Wind wehte über den Hügel und ließ die Blätter der Bäume im nahen Wald rauschen. Unten lag das Dorf in der Nachmittagssonne. Ab und an sah man in der Ferne ein Auto auf der Landstraße, die Embken mit Wollersheim verband. Als sich der Wind wieder legte, kehrte Stille ein. Lorenz lauschte, ob nicht zumindest ein Vogel sein Zwitschern hören lassen wollte. In diese Ruhe hinein klingelte ein Handy. Benny grummelte eine Entschuldigung. Auch der junge Pfleger empfand dies als Störung. Er meldete sich leise, wollte die Andacht der Lebenden und die Ruhe der Toten nicht stören. Während er telefonierte, verließ er den Friedhof. Als er wenig später zurückkehrte, sagte er: »Die drei Herzblätter von der Antifa wollen uns unbedingt sprechen. Ich habe Anna den Weg nach hier erklärt. Sie sagte, sie seien in einer halben Stunde da.«
    »Das war sehr gut, dass du sie nach hier gelotst hast«, meinte Lorenz. »Sogar cleverer, als du ahnst.«
    »Warum?«, fragte Benny.
    »Weil meine liebe Enkeltochter und ihr großer Freund die Seniorenresidenz observieren lassen, und sie führen auch ein Dossier über diesen Kalle.«
    »Das hätte man sich denken können«, sagte Gustav. »Der scheint ein Spezialist für die Schwierigkeiten zu sein, in die ein unbescholtener Bürger niemals kommen möchte.«
    »Das mag sein«, meinte Benny. »Aber hierhin kann man nicht unbemerkt verfolgt werden. Ich muss übrigens kurz weg. Habe noch einen Fahrdienst zu erledigen, bin aber bald wieder da.«
    »So sei es«, sagte Lorenz. »Lass uns aber bloß mit diesen Früchtchen nicht zu lange allein.«
    »Keine Sorge, Opa Bertold«, antwortete der junge Pfleger. »Kommissar Wollbrand kann auf meine Unterstützung zählen.«
    Nachdem Benny fort war, blieben die drei Alten schweigend auf dem Friedhof zurück. Lorenz betrachtete eine Gruppe von efeuüberwucherten Bäumen, die eine Ecke des Gevierts beschatteten. Irgendwie kamen ihm die Bäume krank und traurig vor. Vielleicht hatten sie in besseren Tagen noch erlebt, wie hier die jüdische Gemeinde des kleinen Eifeldorfes Embken oder auch aus der Umgebung ihren Toten die letzte Ehre erwies. Eifeler Juden, die in ihrer Heimat noch friedlich leben und sterben durften. Diese Bäume hatten gewiss auch gesehen, wie die Gräber geschändet und der Totenacker langsam vergessen und überwuchert wurde.
    Bärbel fasste Lorenz an der Hand. »Es ist schon seltsam hier, nicht wahr?«
    Lorenz nickte stumm. Gustav fasste seine andere Hand. So standen die drei still zwischen den Grabsteinen.
    Irgendwann sagte Bärbel: »Da hinten steht eine Bank. Wollen wir uns einen Moment setzen?«
    Lorenz war ihr dankbar für den Vorschlag. Sie verließen den Friedhof und gingen den Weg ein paar Schritte weiter bis zu einer Bank. Diese war dort aufgestellt worden, wo hinter den Bäumen, die den Friedhof umgaben, das offene Feld begann. Die drei setzten sich hin und ließen den Blick über die Wiesen und Felder schweifen, die sich unter ihnen ausbreiteten.
    »Hat jemand Durst?« Bärbel öffnete ihren Rucksack und entnahm diesem eine Flasche. Dankbar tranken die Männer ein paar Schlucke Wasser, denn es war warm und die Luft trocken. Lorenz schloss die Augen, lehnte sich zurück und streckte die Beine aus. Ein angenehmer Wind strich über das

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