Alte Narben - [Kriminalroman aus der Eifel]
vielleicht hatte selbst der erfahrene Ermittler nicht glauben wollen, mit welcher Härte dieser Kampf geführt wurde.«
40. Kapitel
Benny lenkte den Kleinbus der Seniorenresidenz langsam durch die schmale Hauptstraße von Embken. In einer Abzweigung suchte er nach dem richtigen Hinweisschild. Gustav, der vorne neben ihm saß, wies nach rechts. »Da geht’s lang, Richtung Wollersheim.«
Benny folgte dem Fingerzeig. Nach einer engen Rechtskurve sahen sie eine lange Gerade vor sich, an deren weiterem Verlauf schon das Ortsende sichtbar wurde.
»Jetzt langsam, mein Junge«, sagte Gustav. »Hinter der kleinen Brücke musst du rechts abbiegen zur Mühle.«
»Wo ist denn hier ’ne Brücke?«, fragte Benny und sagte dann: »Ach ja, das war eine Brücke«, als er zu weit gefahren war.
»Macht nix«, ließ sich Lorenz von hinten vernehmen, wo er mit Bärbel saß. »Bitte wenden in drei Zügen, aber ohne einen Unfall zu verursachen, wenn es möglich ist.«
»Ruhe auf den billigen Plätzen«, befahl Benny und lachte. Auf der Landstraße war weit und breit niemand zu sehen, daher wendete er seelenruhig auf der Straße und fuhr zurück, um dann nach links in einen kleinen Weg einzubiegen. Nach wenigen Metern hielt er an. Linker Hand erstreckte sich eine Wiese, die in einer sanften Steigung einem Wäldchen zustrebte. Rechter Hand plätscherte ein kleiner Bach in einen Teich, und etwas dahinter lag das baufällig wirkende Gebäude einer alten Mühle, deren riesiges Wasserrad bewegungslos über dem Bach hing.
»Das ist Nicks Mühle«, erklärte Lorenz. »Eine Wassermühle aus dem sechzehnten Jahrhundert mit dem größten Rad, das ihr hier in der Eifel finden könnt. Hier wird immer noch Getreide gemahlen, glaub ich, zumindest zu Besichtigungen.«
»Faszinierend«, sagte Bärbel. »Das müssen wir uns unbedingt genauer ansehen.«
»Sehr gerne, meine Liebe«, sagte Lorenz. »Aber nicht heute, denn jetzt sind wir wegen des jüdischen Friedhofs hier.«
»Aber ja«, antwortete Bärbel. »Wo ist der denn?«
»Erst mal alles aussteigen«, kommandierte Gustav und trat auf die Straße. »Es ist nur ein kurzer Fußweg bis dorthin. Der Bus muss hierbleiben. Benny, fährst du das Ding etwas auf Seite?«
»Ay, Ay Käpt’n«, sagte Benny. Er wartete, bis auch Bärbel und Lorenz ausgestiegen waren, dann rangierte er das Fahrzeug an den Wegrand.
»Ich wette, da geht’s lang«, sagte Bärbel und wies auf einen Weg, der sich im Wiesenhang abzeichnete.
»Völlig richtig«, bestätigte Gustav. »Man könnte sagen, Fräulein Bärbels Gespür für Gras hat sich wieder einmal bewährt.«
Benny lachte. »Ach nee, Bärbel und Gras?«
Bärbel sagte: »Ich war auch einmal jung und unvernünftig.«
»Und Künstlerin«, ergänzte Gustav. »Aber hier meinte ich eigentlich nicht etwa die Drogen, die unsere Kunstprofessorin sicherlich früher freudig konsumiert hat, sondern ich wollte eher darauf hinweisen, dass unser Weg durch dieses saftige Grün führt, ebenfalls Gras genannt.«
Lorenz schwang seinen Gehstock, schritt voran und meinte: »Während ihr euch gerne noch über Bärbels Jugendsünden austauschen könnt, geh ich dann schon mal.«
Die anderen folgten ihm. Der Weg wurde etwas steiler und führte auf einen Hügel, dessen Kopf mit einem kleinen Wäldchen bewachsen war. Lorenz wurde langsamer. Er tat so, als wolle er die Gegend genießen, und zeigte mit dem Stock nach oben. »Das ist der Mühlenberg. Von da oben hat man bestimmt einen wunderbaren Blick über den Ort und das Neffeltal.«
Geruhsam gingen sie weiter. Bald verlief der Weg zwischen Bäumen. Als sie das Wäldchen beinahe passiert hatten und sich der Blick über das Tal öffnete, gelangten sie an eine flache Hecke, deren Ebenmäßigkeit auf eine gezielte Bepflanzung und Pflege deutete. Dahinter war eine kleine Wiese zu sehen, die mit alten Grabsteinen übersät war. Sie hatten den jüdischen Friedhof von Embken erreicht. Ein grün lackiertes eisernes Tor unterbrach die Hecke. Lorenz trat heran und legte einen Hebel um, der das Tor verriegelte. »Nicht verschlossen«, sagte er, als sich das Tor leise quietschend öffnete.
»Dürfen wir denn da so einfach reingehen?«, fragte Bärbel.
»Aber ja«, meinte Lorenz und trat auf den Weg, der die Wiese, welche das Areal vollständig bedeckte, in Form eines T teilte. »Das taten in den letzten Jahren leider auch immer wieder Menschen, die weniger guten Willens hierherkamen. Dieser Friedhof wurde nach dem Kriege mindestens dreimal
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