Alte Narben - [Kriminalroman aus der Eifel]
Feld. Es roch nach Gras und Erde. Jetzt hörte er auch das leise Summen der Insekten, die die Kleeblüten am Wegesrand besuchten. Rechts neben der Bank begann eine Hecke, in der es beständig raschelte, wenn man genau hinhörte. Vermutlich saßen Vögel darin, vielleicht versteckten sich dort am Boden auch Mäuse. Die Hecke bot ihnen Schutz vor dem Greifvogel, dessen Schrei hoch über ihnen ertönte. Lorenz öffnete die Augen und sah in den Himmel. Zwei Bussarde waren es, die über ihnen kreisten und nach Beute Ausschau hielten. Da fiel ein Schatten auf Lorenz’ Gesicht.
»Hallo zusammen.«
Lorenz drehte den Kopf in die Richtung, aus der die Stimme erklungen war. Kalle Gärtner stand hinter ihnen, neben ihm Anna Floto und Nihil Wedding.
Lorenz stand auf und sah die jungen Leute an. »Schön, ihr habt uns also gefunden.«
»Benny hat es uns gut beschrieben«, sagte Anna. »Wusste gar nicht, dass es hier oben so einen einsamen Friedhof gibt. Ist sehr schön hier.«
»Nicht wahr?«, meinte Bärbel. »Ein wunderbarer Ort.«
»Ich hab nichts übrig für Friedhöfe«, sagte Kalle. »Wer geht da schon freiwillig hin? Da kommt man noch früh genug hin.«
Lorenz schüttelte den Kopf. »Nun, vielleicht kommst du noch in das Alter, in dem du etwas ruhiger wirst und anders darüber denkst. Aber auch nur vielleicht.«
»Meinen Sie, ich werd’ nicht alt?«
»Das, was du mit dem Floto gemacht hast, wird irgendwann auch einer mit dir machen, meinst du nicht?«
»Sie wissen es also schon?«
»Ich habe gehört, dass Hermann Floto im Krankenhaus liegt, weil ihn jemand brutal zusammengeschlagen hat. Warum habe ich da wohl an dich gedacht?«
Kalle grinste. »Okay, lag wohl nahe.«
Bärbel schaute den großen jungen Mann entsetzt an. »Warum denn diese entsetzliche Gewalt?« Dann richtete sie ihren Blick auf Anna. »Und was sagst du dazu? Immerhin ist es dein Vater, den er so schwer verletzt hat.«
Anna Floto zuckte mit den Schultern. »Er hat es verdient. Sie kennen ihn nicht.« Sie hob ihr Shirt an und zeigte Bärbel eine kreisrunde Narbe an ihrem Bauch. »Sehen Sie? Er meinte, wenn ich so eine linke Hure wäre, würde ich höchstens als Aschenbecher taugen. Hier hat er eine Zigarette an mir ausgedrückt.«
»Das tut mir leid«, sagte Bärbel. »Dein Vater ist bestimmt ein schrecklicher Mann, wenn er seiner Tochter so etwas antut. Aber Gewalt immer mit Gewalt zu vergelten – das ist der scheinbar einfache Weg, der aber nie zu etwas Gutem führt.«
»Immerhin hat der Feigling mir ein paar Dinge vorgewimmert«, meinte Kalle Gärtner ungerührt.
»So, was denn?«, fragte Lorenz.
»Aber bitte!«, rief Bärbel aus. »Dinge, die unter Folter aus dem Mann herausgeprügelt wurden, möchte ich nicht hören!«
»Dann hör mal kurz weg, Muttchen«, fuhr Kalle fort. »Er sagte, dass er nichts verraten habe, der Stadtrat und die Stiftung hätten nichts zu befürchten. Ich glaube, der hat mich für jemand anderen gehalten.«
Gustav und Lorenz sahen sich an. Dann meinte Lorenz: »Vielleicht befürchtete er Druck aus dem eigenen Lager? Anna, du sagtest doch, er hätte Ärger mit diesem NPD-Chef gehabt?«
Anna nickte. »Der Finkel war sauer auf meinen Alten. Er sollte sich zurückhalten, was er aber nicht tat.«
Bärbel rief erbost aus: »Wie könnt ihr nur in der Nähe dieser Toten von solchen schrecklichen Dingen sprechen?«
»Ach, lassen Sie nur, meine Liebe. Wir Juden sind das gewohnt!«
Alle blickten sich überrascht um. Jakob Kratz stand vor ihnen. Daneben Benny, der mit einem Grinsen sagte: »Das ist mein Fahrauftrag. Ist das nicht ’ne tolle Überraschung?«
Jakob Kratz meinte trocken: »Sie haben bestimmt viel Freude mit dem Jungen.«
Lorenz nickte zustimmend. »Kann man wohl sagen. Häufig etwas langsam von Begriff, aber immer hilfsbereit.«
»Ja, lästert ihr nur!«, rief Benny aus. »Aber immerhin habe ich euch jetzt endlich mal alle zusammengebracht, nicht wahr?«
»Und das ist auch sehr gut«, sagte Lorenz anerkennend. »Wir müssen uns unbedingt unterhalten.«
Jakob Kratz nickte. »Ich hatte gehofft, ihr würdet nicht gar so hartnäckig sein. Aber ich möchte nicht, dass noch mehr Menschen zu Schaden kommen.«
»So wie der alte Floto zum Beispiel. Haben Sie mit dessen Tod zu tun?«, fragte Lorenz.
Jakob antwortete: »Ja und nein. Ich denke schon, dass es etwas mit mir zu tun hat. Ob ich ihn erschlagen habe? Nein. Da fragt mal besser denjenigen, der auch seinen Sohn übel zugerichtet hat.«
»Das ist
Weitere Kostenlose Bücher