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Altenberger Requiem

Altenberger Requiem

Titel: Altenberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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sich.
    »Och, gerade habe ich gedacht… wo doch Sonntag ist…«
    »Nichts da. Du machst dich auf die Spur von diesem Matze. Und ich übernehme hier Telefondienst.«
    Die Erregung sank in sich zusammen.
    »Außerdem sorge ich für ein schönes slowfoodmäßiges Abendessen. Wir bleiben in Handykontakt. Und heute Abend … wird ein schöner Abend.«
    Handykontakt - bei diesem Stichwort fiel mir etwas ein.
    Ich suchte mein mobiles Telefon und schaltete es an. Kaum war der Empfang da, begann es zu bimmeln wie verrückt. Das Display zeigte achtzehn Anrufe in Abwesenheit. Alle von Jutta.
    »Hast du eine andere Freundin?«, fragte Wonne schelmisch und sah mir über die Schulter.
    »Nein, nur eine Tante, mit der ich im Moment ein bisschen im Clinch bin.«
    Ich erzählte ihr, was gestern Abend noch vorgefallen war.
    »Wenn man dich so reden hört, könnte man glatt glauben, du hättest was mit Jutta«, sagte Wonne, als ich geendet hatte.
    »Na, hör mal…«
    »Ist schon okay. Abgesehen davon ist ja Tante mit Neffe kein echter Inzest.«
    »He, hörst du nicht zu? Da läuft gar nichts.«
    »So eifersüchtig, wie die ist? Das kannst du dem Papst erzählen.«
    Ich war ehrlich empört. Aber wahrscheinlich, weil sie auf ihre Art recht hatte. Nicht dass da etwas zwischen Jutta und mir gewesen wäre. Aber wer uns nicht so gut kannte, konnte vielleicht tatsächlich auf den Gedanken kommen.
    Ich wandte mich wieder meinem Fall zu und betrachtete die Bilder in der Mappe, um sie mir einzuprägen.
    Matze hatte ein ziemlich markantes Äußeres. Dichtes, schwarzes Haar. Kantiges Gesicht. Massives gekerbtes Kinn.
    Ich nahm das Material, schnappte meine Schlüssel, wurde aber an der Haustür von Wonne noch einmal aufgehalten.
    »Auftanken«, flüsterte sie und zog mich an sich. »Das muss ja wieder ein paar Stunden reichen.«
    Der Kuss, der folgte, war wahrscheinlich der längste meines Lebens.

12. Kapitel
    Mein Weg führte mich zuerst nach Wuppertal in meine Wohnung an der Ecke Kasinostraße/Luisenstraße. Es war Zeit, den Briefkasten mal wieder zu leeren. Vier Rechnungen waren dabei, die ich ordentlich auf meinen Schreibtisch in dem Raum legte, den ich Büro nannte.
    Ich ließ mich in den schwarzen Drehsessel sinken. Mir kam es vor, als sei ich wochenlang nicht mehr hier gewesen. Dabei waren es erst ein paar Tage. Das letzte Mal hatte ich in einem anderen Abschnitt meines Lebens hier gesessen. In einem Abschnitt ohne Wonne …
    Irgendetwas stank bestialisch. Es war der Müll, den ich vergessen hatte runterzubringen. Ich riss die Fenster auf und entsorgte die Tüte. Als ich wieder oben war, verbrachte ich ein bisschen Zeit damit, meine Beretta zu checken, die ich aus Mannis Haus mitgenommen hatte.
    Kurz darauf war ich wieder auf dem Weg in die Friedrich-Ebert-Straße, wo ich geparkt hatte. Ich stieg in meinen Golf und beobachtete das Volk im Cafe Engel und auf dem Laurentiusplatz, das den sommerlichen Sonntag genoss. Hier sah Wuppertal bei schönem Wetter wie Klein-Italien aus. Helle Mauern, Natursteinpflaster, entspannte Menschen, die den Tag vertrödelten.
    Vielleicht wäre es doch nett gewesen, Wonne mitzunehmen.
    Quatsch, schalt ich mich. Reiß dich zusammen. Dienst ist Dienst. Und wenn du das hier hinter dir hast, kannst du es dir leisten, sie mal so richtig einzuladen.
    Oder ganz was anderes mit ihr zu unternehmen.
    Es gibt nichts Trostloseres als Industriegebiete am Sonntag. Hinter endlosen Zäunen öde, leere Asphaltwüsten, bewacht von melancholisch in die Ferne blickenden Verwaltungsgebäuden. Kastenförmige Lagerhallen mit vereinsamten Rampen, die ins Nichts führen. Vereinzelt aufragende braunrote Schornsteine. Am Straßenrand hin und wieder parkende Lkws. Gestrandete Wale im Meer des Transportwesens.
    Wahrscheinlich sahen die Gewerbegebiete von Rom, Sydney, Hamburg oder Casablanca genauso aus. Aber ich war in Leverkusen, irgendwo in der Gegend von Küppersteg - und hatte mich verirrt.
    Ich fuhr rechts ran, stellte den Motor ab, ließ aber den Schlüssel auf Ladung, damit mein CD-Player nicht stoppte. Ich hatte mir eine Sammlung schöner Oldies von den Stones bis ABBA gebrannt. Im Moment lief gerade Albert Hammonds »It never rains in Southern California« - ein Lied, bei dem mir immer Assoziationen zur Welt meiner großen Kollegen aus Los Angeles kamen. Columbo. Marlowe.
    Der Soundtrack machte die traurige Kulisse einigermaßen erträglich, verlieh ihr sogar eine gewisse Romantik.
    Leverkusen war eine Stadt voller Gegensätze.

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