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Altenberger Requiem

Altenberger Requiem

Titel: Altenberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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gibt da eine Möglichkeit. Ich weiß, es ist etwas überraschend. Aber ich bin gerade in Köln, und könnte direkt … Ja, sehr schnell. Heute noch. Wie gesagt, ich weiß …«
    Und wieso machte er plötzlich den Eindruck eines smarten jungen Starverkäufers? Und das nicht nur in der Art, wie er telefonierte, sondern auch optisch. Ich rief mir ins Gedächtnis, wie ich ihn dort oben gesehen hatte. Weißes Hemd, Schlips. Businessmäßig.
    War das wirklich Matze Büchel? Hatte er vielleicht noch einen Bruder, der ihm ähnlich sah?
    »Ja, ich kann Ihnen die Adresse geben. Ich würde sagen, wir treffen uns dann dort… Wann? Wo wohnen Sie denn?«
    Vorsichtig schob ich mich um die Ecke, um ihn mir noch mal genau anzusehen.
    »Oh, das ist günstig. Das schaffen Sie in einer halben Stunde. … Ja? Abgemacht? Also, ich gebe Ihnen die Anschrift. Schreiben Sie mit.«
    Ich sah Matze jetzt wieder vor mir. Er hatte sich umgedreht und war im Profil zu sehen. War er’s oder war er’s nicht?
    Während ich noch dastand und überlegte, tippte mir plötzlich jemand auf die Schulter.
    »Was machen Sie denn da?«, brüllte ein Mann so laut, dass Matze aufmerksam wurde und mir das Gesicht zuwandte. Jetzt war ich hundertprozentig sicher, dass er es war, hatte jedoch ein neues Problem. Ich drehte mich um und stand vor einem fetten Mann mit rot angelaufener, schweißglänzender Kugelglatze, der mich böse ansah. In der einen Pranke hielt er einen kleinen Grill, in der anderen eine Packung Holzkohle. Hinter ihm stand ein Auto mit hochgeklapptem Heck. Im Kofferraum wartete eine Plastiktüte, die wahrscheinlich Packungen mit Würstchen enthielt, und ein Kasten Gaffel-Kölsch.
    »Kann ich Ihnen vielleicht irgendwie helfen?«, dröhnte er wieder.
    »Ich komme von den Zeugen Jehovas«, sagte ich. »Es ist Sonntag. Haben Sie heute schon in der Bibel gelesen?«
    Der Fettklops steigerte seine Lautstärke und seine Aggressivität. »Bleib mir weg damit!«, brüllte er. »Ihr geht uns schon die ganze Zeit auf den Keks mit euren Käseblättchen. Runter von dem Grundstück, aber dalli!«
    Ich gehorchte, schlich zum Auto zurück und beobachtete, wie die kleine Dampflokomotive den Wagen auslud. Als er die Klappe zudonnerte, drehte er sich noch einmal mit finsterem Blick um und erstarrte in der Bewegung, als er mich sah. Wahrscheinlich überlegte er, ob er mich von der Straße ebenfalls verscheuchen konnte. Aber irgendetwas sagte ihm wohl, dass das nicht ging. Dass ich ein Recht hatte, hier zu stehen, auch wenn ich einer von ihm geschmähten christlichen Vereinigung angehörte. Schließlich verschwand er in dem Durchgang zwischen Garage und Garten. Da hinten stieg wohl gleich die Grillparty.
    Die Adresse, die Matze der Frau am Telefon gegeben hatte, wusste ich noch. Zurück im Wagen, nahm ich einen Zettel aus dem Handschuhfach und schrieb sie hastig auf. Es war höchste Zeit, hier zu verschwinden.
    Als ich den Motor anließ, sah ich Matze gerade aus dem Haus kommen. Er hatte sein weißes Hemd um ein schickes Sakko erweitert und beachtete mich nicht, als ich vorbeifuhr. Im Rückspiegel sah ich ihn das Garagentor öffnen.
    Ich folgte der Handstraße bis zur Abzweigung Paffrather, wo es in die Gladbacher Innenstadt ging. Es herrschte kaum Verkehr, und so kam ich gut voran.
    Nach der Stadtdurchquerung, vorbei am Gelände der Zanders-Papierfabrik und hinter einem großen neuen Kreisel mit Schienenüberquerung und einer Menge weiß-roter Schranken, hielt ich mich auf der Mülheimer Straße Richtung Köln. Als ich durch das kleine Waldgebiet Thielenbruch fuhr und die Strahlen der langsam untergehenden Sonne auf meiner Windschutzscheibe interessante Muster bildeten, dachte ich wieder an Wonne. Ich bekam schon langsam Entzugserscheinungen.
    Ich lenkte mich ab, indem ich über Matze nachdachte. Hätte ich ihn gleich zur Rede stellen sollen?
    Mein Bauchgefühl sagte Nein.
    Die Tatsache, dass er sich mit falschem Namen am Telefon vorgestellt hatte, machte ihn verdächtig. Und dieses seltsame Outfit …
    Eine andere Stimme in mir ermahnte mich wieder: Vielleicht hat er Karriere gemacht. Ein Vorbestrafter kann ein ehrlicher Mensch werden, Remi, vergiss das nicht.
    Und der falsche Name?
    Ein Missverständnis. Du wirst dich verhört haben.
    Neben mir wanderten die alten Thielenbrucher Villen vorbei, und als links die Dellbrücker »Alte Post« erschien - schon die zweite, die mir in diesem Fall begegnete wurde die Gegend wieder städtisch. Gesichtslos. Mietshäuser mit

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