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Altenberger Requiem

Altenberger Requiem

Titel: Altenberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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und biss zu. Auf meiner Zunge explodierte ein fruchtiges Gemisch aus süß und sauer. Ich schloss die Augen und sah plötzlich ein weites Erdbeerfeld inmitten grüner Hügel unter einem blauen Himmel vor mir.
    »Es ist ja schön, dass du dich dem Genuss meiner Marmelade hingibst«, hörte ich Wonne sagen. »Aber das hier ist wichtiger. Die Frau ist nur noch bis elf zu erreichen. Danach muss sie nach Köln zur Arbeit.«
    Ich riss die Augen auf. »Du hast mit ihr gesprochen?«
    »Na sicher. Sie ist eine wichtige Zeugin. Von ihr hat Klara den Ohrring.«
    »Der Ohrring, der in dem Ordner war? Ich denke, der ist von ihrer Nichte.«
    »Ist er auch. Bist du noch so verschlafen, Remi? Also: Es ist jetzt fast fünfundzwanzig Jahre her, da ging Frau Georgi, die damals noch nicht verheiratet war und ganz anders hieß, was aber jetzt egal ist - also, da ging diese Frau Georgi im Wald spazieren. Und was fand sie? Einen Ohrring. Er gefiel ihr so gut, dass sie ihn mitnahm und trug. Ungefähr vor einem Jahr war sie auf einem Familientreffen in Altenberg, und da sprach sie eine Frau auf den Ohrring an. Du kannst dir vorstellen, wer das war.«
    »Klara Hackenberg.«
    »Genau. Und Klara Hackenberg wusste sofort, dass der Ohrring von Gabriele stammte. Immerhin handelt es sich um ein handgefertigtes Stück. Und Gabriele trägt die Ohrringe ja auch auf dem Foto, das Klara Hackenberg von ihr hatte.«
    »Gefunden hat Frau Georgi aber nur einen einzigen«, wandte ich ein.
    »So ist es. Dämmert dir da was?«
    Oh ja. Mir dämmerte eine Menge. Meine Gedanken überschlugen sich geradezu.
    »Gib mir die Nummer«, sagte ich.
    »Sie liegt vor dir.«
    »Warum hast du dich nicht weiter mit Frau Georgi unterhalten?«
    »Du bist doch der Detektiv. Ich dachte, das überlasse ich dir.«
    Sie sah mir zu, wie ich den Rest des Brotes nicht gerade slowfoodmäßig herunterschlang und ans Telefon stürzte. Kurz darauf hatte ich die Frau am Draht.
    »Frau Georgi? Rott hier. Privatermittler. Sie haben bereits mit Frau Freier gesprochen. Darf ich Ihnen noch ein paar Fragen zu diesem Ohrring stellen?«
    »Wenn ich Ihnen helfen kann … Aber viel weiß ich auch nicht.«
    »Sie haben Klara Hackenberg getroffen, und sie hat Sie auf den Ohrring angesprochen …«
    »Hackenberg. So hieß sie wohl. Ja, in Altenberg. Letztes Jahr im April. Ich war auf dem Geburtstag einer Cousine …«
    »Was hat sie zu Ihnen gesagt?«
    »Das war ziemlich komisch. Ich war gerade vor dem Altenberger Hof auf dem Platz und habe ein bisschen mit den Kindern gespielt. Da kam diese Frau - viel zu warm angezogen, in einem dunklen Mantel. Als sie mich auf den Ohrring ansprach, habe ich erst überhaupt nicht verstanden, was sie wollte.«
    »Wie ging es weiter?«
    »Sie hat mich gefragt, wo ich ihn herhätte. Ich habe ihr gesagt, dass ich ihn vor Jahrzehnten im Wald gefunden habe. Und sie erzählte dann von ihrer Nichte, die irgendwo hingezogen sei und von der sie kein Lebenszeichen mehr erhalte. Und dass sie alle Erinnerungen an sie sammele. Erst kam mir das komisch vor, aber schließlich hat sie ein Foto von ihrer Nichte hervorgezogen, und darauf war tatsächlich dieses Schmuckstück zu sehen. Am Ende tat die Frau mir richtig leid. Sie wollte mir den Ohrring abkaufen, aber ich habe ihn ihr so gegeben.«
    »Und Frau Hackenberg hat sich Ihre Telefonnummer aufgeschrieben?«
    »Ja, genau.«
    »Warum hat sie das getan?«
    »Sie wollte unbedingt wissen, wo ich den Ohrring damals gefunden hatte. Ich konnte mich aber nicht erinnern. Ich habe versprochen, meinen Mann danach zu fragen, weil er das sicher noch wusste. Sie wollte sich noch mal melden. Eine Woche später bin ich aber umgezogen. Ich habe gar nicht mehr an sie gedacht. Wahrscheinlich hat sie immer die alte Nummer probiert, aber da war eine Zeit lang niemand zu erreichen.«
    »Das heißt, Sie haben danach nicht mehr mit ihr gesprochen?«
    »Sagen Sie, Herr Rott - worum geht es eigentlich in dieser Geschichte? Ihre Mitarbeiterin hat mir dazu nichts sagen wollen.«
    »Frau Hackenberg wurde vor vier Tagen ermordet.«
    »Ermordet? Wegen des Ohrrings?«
    »Das wissen wir nicht. Aber wir wissen, dass sie auf der Suche nach ihrer verschwundenen Nichte war.«
    »Ich verstehe.«
    »Wie lange genau ist es her, dass Sie den Ohrring gefunden haben?«
    »Lassen Sie mich überlegen. Ich hatte gerade meinen Mann kennengelernt. Wir waren seit etwa einem Jahr zusammen. Und wir sind oft durchs Bergische gewandert. Wir hatten damals noch nicht so viel Geld für

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