Alter König Neuer König - Seelenweishheit im Märchen (German Edition)
Gestein, und den Thron behüteten die guten Geister vom Gebirge der Heiligen. Es war ein verwunschener Thron, der Thron des Reiches Pajajaran. Wenn sich irgendein anderer auf diesem Königssitz niederlassen wollte, traf ihn der Fluch der Götter. So lautete ihre Botschaft, so war es ihr Wille.
Der Herrscher dieses erwählten Volkes hatte eine Tochter, die liebliche Dewi Ngalima. Sie wurde aus dem Duft der Zimtblüte und dem Kuss des Lichts geboren. Wenn die Prinzessin lachte, flog ein gelber Schmetterling aus ihrem Mund. Wenn sie sang, erblühten die Orchideen, und wenn sie traurig war, weinte sie schwarze Reiskörner. Jedermann im Reich liebte sie wie sein eigenes Kind und verehrte sie wie eine Göttin.
Den hohen Göttern des Landes gefiel es, Dewi Ngalima in Versuchung zu führen. Schuld daran war allein die Liebe. Auf den Flügeln lieblicher Träume sandten sie ihr das Bild des Königssohns aus dem Land des Jasmintaus zu und zauberten den Duft seines Atems in die Blüten des Palastgartens. Auf kristallklaren Wellen schwammen seine Lippen zum Mund der lieblichen Prinzessin Dewi Ngalima, und sein silbernes Boot furchte die Wellen des nächtlichen Sternenmeeres. Der Prinz und die Prinzessin liebten einander sehr. Aber Dewi Ngalimas Vater, der erhabene König des heiligen Reiches Pajajaran, hatte sie bereits dem bösen König von Tschirebon, einem mächtigen Zauberer, versprochen. Er achtete nicht darauf, dass die Prinzessin schwarze Reiskörner weinte und hatte für ihren Schmerz nur taube Ohren.
Da kam eines Tages ein eigenartiger Vogel in den Garten des Palastes geflogen, den noch niemand vorher erblickt hatte. Er trug einen Fischkopf, hatte einen Vogelkörper, eine Schlangenhaut und die Flügel eines großen Schmetterlings. Wer ihn sah, erstarrte vor Grauen. Dieser merkwürdige Vogel sprach zum König: »Erhabener Radscha, Beherrscher des Königreiches Pajajaran! Verbinde nie den Vogel mit dem Fisch, den Schmetterling mit der Schlange, die Zitrusblüte mit der Pest von Tschirebon. Sonst wird der Königssohn aus dem Reich des Jasmintaus dein Reich vom Erdboden fegen.«
»Wer bist du?«, fragte der König, und der Vogel erwiderte: »Ich bin dein böser Traum, König!«
Der erhabene Herrscher des Königreichs Pajajaran erschrak. Gleich am folgenden Tag schickte er Boten ins Land des Jasmintaus und ließ ausrichten, dass er entschlossen sei, dem Königssohn seine Tochter, die liebliche Dewi Ngalima, zu vermählen. Im Stillen aber überlegte er, wie er den Königssohn aus der Welt schaffen könnte, da er dem König von Tschirebon, dem mächtigen Zauberer, sein Wort gegeben hatte. Da rieten ihm die bösen Geister der traumlosen Nacht: »Führe den Königssohn in deinen Palast und setze ihn auf den verwunschenen Thron. Dann wird ihn der Fluch der Götter treffen und Unglück ereilen.«
Zum Dank für diesen schändlichen Rat bewirtete der König die bösen Geister mit Palmwein. Kaum hatte der Prinz im Land des Jasmintaus die Botschaft vernommen, begab er sich auf die Reise nach Pajajaran. Er zog Tag und Nacht mit seinem Gefolge über Berg und Tal, über Seen und Flüsse, immer den Klängen der feierlichen Gamelan-Musik nach. Vor ihm tanzten dunkeläugige Mädchen und streuten bunte Blumen auf seinen Weg.
Die schönste Blüte hob der Königssohn auf und wollte sie seiner Braut mitbringen. Als er sie jedoch mit seinem Atemhauch streifte, verwandelte sich die Blume in eine weiße Taube und ließ sich auf seinem Haupt nieder. »Hüte dich, die Gesetze des Landes und den Willen der Götter zu verletzen: Setze dich nicht auf den Thron der Könige von Pajajaran, sonst wird dich ein Fluch treffen!«, warnte sie den Prinzen.
»Wer bist du?«, fragte er. »Ich bin dein guter Traum«, erwiderte die Taube und flog zum Himmel empor.
Der Königssohn zog weiter, bis er endlich ins Reich Pajajaran gelangte. Der alte König empfing ihn mit allen Ehren, wie es sich für den edlen Bräutigam einer Königstochter geziemte. »Mein Sohn«, sprach er ihn heuchlerisch an und wies auf den steinernen Thron, »setze dich auf den heiligen Königsstuhl von Pajajaran! Du bist mein geliebter Nachfolger.«
Bei diesen Worten erstrahlte auf dem Antlitz der lieblichen Prinzessin Dewi Ngalima ein glückliches Lächeln, und ihrem schönen Mund entflog ein gelber Schmetterling. Der Prinz aber hatte die Warnung der weißen Taube nicht vergessen und lehnte höflich ab.
»Mein hoher Gebieter, ich bin noch
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