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Alter König Neuer König - Seelenweishheit im Märchen (German Edition)

Alter König Neuer König - Seelenweishheit im Märchen (German Edition)

Titel: Alter König Neuer König - Seelenweishheit im Märchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Riemann
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nicht der Herrscher dieses Landes und habe kein Recht, auf dem heiligen Thron von Pajajaran zu sitzen!«
     
    Des Königs Antlitz verdüsterte sich, doch drang er nicht weiter in den Prinzen. Vor der Hochzeitszeremonie aber führte er den Königssohn noch einmal vor den steinernen Thron.
     
    »Hier ist dein Platz, edler Prinz«, sprach er feierlich. »Von diesem Platz aus wirst du an meiner Seite über das Reich herrschen, das wir durch die Gnade der Götter Pajajaran nennen dürfen. Setze dich auf den geheiligten Thron, mein Sohn!«
     
    Da vergaß der Jüngling die Warnung der Taube und ließ sich stolz auf dem erhabenen Stuhl nieder. Kaum hatte er jedoch Platz genommen, da zog ein furchtbares Gewitter herauf, und im ganzen Palast erklangen angsterfüllte Klagen.
     
    »Die Prinzessin Dewi Ngalima ist verschwunden! Man hat die Prinzessin entführt!«
     
    Niemand achtete darauf, dass in diesem Augenblick ein gelber Schmetterling in den Flammen einer Fackel verbrannte. Niemand aber auch vermochte dem Königssohn zu sagen, wo seine Braut geblieben war. Nur ein alter Fischer entsann sich später, am Firmament den Schatten eines fallenden Pferdes erblickt und ein spöttisches Rufen gehört zu haben: »Der Fluch erfüllt sich! Unglücklich ist jener, der den heiligen Thron der Könige entweiht.« Der Fischer gab dem Prinzen auch ein paar schwarze Reiskörner, die wie Tränen oder Regentropfen in sein Boot gefallen waren.
     
    Der verzweifelte Königssohn wusste sich keinen Rat mehr. Da kreiste über seinem Haupt eine weiße Taube und rief: »Überschreite den Fluss der Erhabenen und besteige den heiligen Berg, auf dem die mächtigen Götter ihre Pferde satteln.«
     
    Der Prinz tat, wie ihm geheißen worden war. In Windeseile ritt er dem Gebirge entgegen, von dessen Höhe Blitze niedersausten. Er fühlte nicht, wie lange er reiten musste. Als er den Fuß des heiligen Berges erreicht hatte, trat ihm ein erhabener Greis in den Weg, der mit großen Zauberkräften begabt war. »Wer wagt es, die heiligen Rechte der Götter anzutasten?«, grollte er, und der Boden unter seinen Füßen erbebte.
     
    »Mein Vater«, bat der unglückliche Königssohn, »du, der die Geheimnisse der Götter hütet, der in Einsamkeit und Entsagung Zauberkräfte erworben hat, führe mich in den Stall der geflügelten Pferde. Ich will mein Liebstes, die Prinzessin Dewi Ngalima, finden. Sieh, wie sie um meinetwillen weint!« Und er wies dem Greis die geöffnete Hand mit den schwarzen Reiskörnern.
     
    Das Antlitz des Greises verfinsterte sich »Wer die Ordnung missachtet, muss büßen. Du hast das uralte Gesetz des Königreichs Pajajaran verletzt. Du hast gegen den Willen der Götter gehandelt. Deinen Schritten folgt nun der Fluch.«
     
    »Ach, Vater!«, bat der Prinz, »du, der die Zärtlichkeit einer irdischen Mutter kennen lernte, du, der die süßen Früchte der Erde kostete, hast du denn schon alles Menschenleid vergessen? Führe mich zu den geflügelten Pferden, die von den erhabenen Göttern gesattelt werden. Die Prinzessin Dewi Ngalima weint um mich!«
     
    Der Greis schüttelte verneinend den Kopf. »Die Ställe sind leer, Prinz. Die Götter zogen gegen die Dämonen des Windes zu Feld. Nur der heilige Adler Garuda, der geflügelte Rappe des höchsten Gottes Wischnu, kreist über den Gipfeln der Berge.«
     
    »Dann rufe mir den heiligen Adler!«, bat der Königssohn.
     
    Der Greis wich entsetzt zurück. »Ich will deine vermessenen Worte nicht gehört haben! Dein Leid ist größer als deine Klugheit. Doch damit du erkennst, dass ich die Tränen meiner Mutter noch nicht vergessen habe, will ich dir helfen. Schließe deine Augen!«
     
    Als der Königssohn nach einem Weilchen um sich blickte, sah er, dass seinem Ross Flügel gewachsen waren. Er wollte dem Greis danken, doch der war verschwunden. Nur vom heiligen Berg zuckten Blitze herab. »Wer schuldig wurde, muss büßen«, grollte der Berg.
     
    Der Prinz schwang sich aufs Pferd und erhob sich in die Lüfte. Tag und Nacht flog er auf seinem geflügelten Ross über Meer und Inseln. Immer wieder rief er seine Braut Dewi Ngalima, seine verlorene Liebe. Als er sich eines Tages dem Gipfel des Berges Sawal näherte, kreiste über seinem Kopf eine weiße Taube. »Hüte dich, mit den Geistern zu sprechen, Prinz!«, rief sie ihm zu. »Erhebe dein Schwert nicht gegen die Unsichtbaren, und beleidige sie auch nicht mit bösen Worten, sonst wird sich der Fluch erfüllen. Hüte dich, Prinz, vor dem

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