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Alter schützt vor Scharfsinn nicht

Alter schützt vor Scharfsinn nicht

Titel: Alter schützt vor Scharfsinn nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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einen sehr alten Mann gekannt, dessen Freund bei Waterloo mitkämpfte.«
    »Du meine Güte! Das war doch Jahre vor 1914! Na ja, damals hatten die Leute ausländische Kinderschwestern – Mademoiselles und Fräuleins. Mit den Kindern soll sie sehr nett umgegangen sein. Es wären auch alle mit ihr sehr zufrieden gewesen und hätten sie gern gehabt.«
    »Das geschah, als sie hier wohnte, im Lorbee r haus?«
    »Damals hieß es anders, ich glaube wenigstens. Sie war bei den Parkinsons oder Perkins. Heute würde man sie ein Au-pair-Mädchen nennen. Sie stammte aus der Stadt, aus der die Pastete kommt, wissen Sie, die es bei Fortnum & Mason zu kaufen gibt. Furchtbar teure Pastete für Einladungen. Eine halb deutsche, halb französische Stadt, hat mir jemand erzählt.«
    »Straßburg?«, fragte Tuppence.
    »Ja, genau. Sie hat auch Bilder gemalt, sogar ein Porträt meiner alten Großtante. Sie hätte zu alt drauf ausgesehen, hat Tante Fanny immer gesagt. Einen von den Parkinson-Jungen hat sie auch gemalt. Die alte Mrs Griffin besitzt das Bild noch. Der Junge hatte was über sie herausbekommen, der, von dem sie das Bild malte, ein Patensohn von Mrs Griffin.«
    »Hieß er vielleicht Alexander Parkinson?«
    »Ja, das stimmt. Er liegt neben der Kirche begraben.«

10
     
    A m nächsten Morgen begab sich Tuppence auf die Suche nach dem alten Isaac, der nur bei feierlichen Anlässen Mr Bodlicott genannt wurde. Isaac Bodlicott war ein Original, einmal wegen seines Alters – er behauptete, neunzig zu sein, was niemand so recht glaubte –, dann auch wegen seiner Begabung, die seltsamsten Dinge reparieren zu können. Wenn es einem trotz vieler Versuche nicht gelang, den Klempner am Telefon zu erreichen, wandte man sich an den alten Isaac. Ob er die richtige Ausbildung für die Reparaturen besaß oder nicht – jedenfalls hatte er im Laufe seines langen Lebens jedes Problem auf sanitärem Gebiet kennen gelernt. Er wusste, wie man warmes Badewasser bekam und Boiler reparierte, gar nicht zu reden von den vielfachen Schwierigkeiten mit elektrischen Geräten. Seine Rechnungen fielen im Vergleich zu denen eines Handwerkers niedrig aus und seine Arbeit war oft erstaunlich erfolgreich. Er konnte schreinern, mit Schlössern umgehen, Bilder aufhängen – manchmal hingen sie ein wenig schief – und verstand etwas von den Sprungfedern alter Sessel. Der einzige Nachteil war seine unangenehme Angewohnheit, ununterbrochen zu reden, wobei sein Kampf mit den falschen Zähnen es kaum möglich machte, seiner Konversation zu folgen. Seine Erinnerungen an frühere Bewohner des Dorfs schienen uferlos, nur war es schwer abzuschätzen, wieweit seine Glaubwürdigkeit ging. Mr Bodlicott ließ keine Gelegenheit aus, umständlich irgendeine schöne Geschichte aus der Vergangenheit zu erzählen. Diese Ausflüge ins Reich der Fantasie, die er als Rückgriffe in die Erinnerung ausgab, wurden immer im selben Stil vorgetragen.
    »Staunen würden Sie, wenn ich Ihnen erzählte, was ich darüber weiß, ja staunen. Es war nämlich die ältere Schwester, wissen Sie. Ja, die war’s. So ein nettes Mädchen schien sie zu sein. Der Hund vom Fleischer hat’s an den Tag gebracht. Er ist ihr nachgelaufen, bis nachhause, ja. Nur, dass es eigentlich nicht ihr Haus war, wenn man’s genau nimmt. Darüber könnte ich Ihnen viel erzählen. Und da war dann die alte Mrs Atkins. Niemand hat gewusst, dass sie einen Revolver hatte, nur ich. Ich hab’s gewusst, weil ich die Kommode reparieren sollte. Also gut. Sie war im Haus, fünfundsiebzig Jahre alt, und in der Schublade der Kommode – das Schloss funktionierte nicht mehr –, da lag der Revolver. Er war mit einem Paar Damenschuhe zusammen eingewickelt. Eine kleine Größe, ich weiß nicht mehr, fünfunddreißig oder sechsunddreißig. Aus weißem Satin. Die Hochzeitsschuhe ihrer Urgroßmutter, hat sie gesagt. Kann sein. Jemand hat zwar behauptet, sie hätte sie in einem Trödelladen gekauft, aber das weiß ich nicht genau. Und der Revolver lag dabei. Jawohl! Es hieß, ihr Sohn hätte ihn mitgebracht, aus Ostafrika. Er hat dort Elefanten geschossen. Und wissen Sie, was die Alte gemacht hat? Ihr Sohn hatte ihr das Schießen beigebracht. Sie saß dann am Wohnzimmerfenster und passte auf, und wenn jemand aufs Haus zukam, hat sie den Revolver genommen und rechts und links an ihm vorbeigeschossen. Ja. Die Leute waren in Todesangst und sind davongelaufen. Sie sagte, sie würde keinen reinlassen, der die Vögel aufscheuchte. Sie war ganz

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