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Alter schützt vor Scharfsinn nicht

Alter schützt vor Scharfsinn nicht

Titel: Alter schützt vor Scharfsinn nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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gesessen? Ich hatte in London eine Freundin. Sie war nachts immer dort, im Bahnhof Warren Street. Jeder hatte seinen bestimmten U-Bahnhof, zu dem er ging.«
    »Ich war im letzten Krieg nicht in London«, sagte Tuppence. »Ich hätte nicht gern die Nächte in einem U-Bahn-Tunnel verbracht.«
    »Ach, meine Freundin – sie heißt Jenny – fand es großartig. Sie sagte, es wäre so lustig gewesen. Jeder hatte seinen Stammplatz, der für einen frei gehalten wurde. Man schlief da, man nahm sich Brote mit und was zu trinken und es war sehr lustig und unterhaltsam. Das ging die ganze Nacht durch, herrlich! Die Züge fuhren bis zum Morgen. Nach dem Krieg konnte sie sich gar nicht dran gewöhnen, wieder zuhause zu schlafen. Sie fand es langweilig, wissen Sie.«
    »Jedenfalls gab es 1914 noch keine Bomben, nur Zeppeline.«
    Es war Gwenda anzumerken, dass das Thema Zeppelin erschöpft war.
    »Ich hatte nach dieser Mary Jordan gefragt«, fuhr Tuppence fort. »Beatrice meinte, Sie wissen was über sie.«
    »Nicht viel. Ihr Name wurde mal erwähnt, aber das ist Ewigkeiten her. Wunderschönes blondes Haar soll sie gehabt haben, hat meine Großmutter erzählt. Sie war eine Deutsche und hat sich um die Kinder gekümmert – eine Art Kinderschwester. Sie war vorher bei einer Marineoffiziersfamilie, ich glaube in Schottland. Danach ist sie hierher in den Süden gekommen. Sie war bei einer Familie Parks oder Perkins. Einmal in der Woche hatte sie ihren freien Tag und fuhr nach London. Dann hat sie auch das Zeug mitgenommen.«
    »Was für Zeug?«, fragte Tuppence.
    »Das weiß ich nicht. Das hat man mir nie genau erzählt. Wohl Sachen, die sie gestohlen hat.«
    »Ist sie beim Stehlen entdeckt worden?«
    »Nein, ich glaube nicht. Man fing an sie zu verdächtigen, aber sie ist krank geworden und gestorben.«
    »Woran ist sie gestorben? Und hier im Ort? Sie war ja wohl im Krankenhaus?«
    »Nein – da wird’s hier noch keines gegeben haben. Damals gab es die staatliche Krankenversicherung noch nicht. Jemand hat mir erzählt, es wäre ein dummes Versehen der Köchin gewesen. Sie hat Fingerhutblätter statt Spinat aus dem Garten geholt oder statt Salat vielleicht. Nein, das muss jemand anders gewesen sein. Jemand hat was von Tollkirschen erzählt, aber das hab ich nie geglaubt. Tollkirschen kennt schließlich jeder, nicht wahr? Es sind doch Beeren. Jedenfalls muss was sehr Giftiges drin gewesen sein – sie haben den Arzt geholt und er hat getan, was er konnte, aber es war zu spät.«
    »Wohnten damals viele Leute im Haus?«
    »‘ne Menge. Es soll nämlich immer sehr viel Besuch da gewesen sein. Und sie hatten Kinder und Wochenendbesuche und eine Gouvernante und ein Kindermädchen. Natürlich haben sie auch viele Feste gefeiert. Selbstverständlich war ich nicht dabei; meine Großmutter hat es mir erzählt. Und der alte Mr Bodlicott spricht auch manchmal davon, der alte Gärtner, wissen Sie, der hier überall arbeitet. Er war damals dort Gärtner und erst haben sie es ihm anhängen wollen – dass er was Falsches ins Haus geschickt hätte –, aber er war’s bestimmt nicht. Es war jemand aus dem Haus, der in den Garten kam, helfen wollte, die Blätter gepflückt und der Köchin gebracht hat. Spinat und Salat und Grünzeug, wissen Sie. Vermutlich hat derjenige nichts von Gemüse verstanden. Bei der gerichtlichen Untersuchung sollen sie so was auch gesagt haben. Es wäre ein Versehen, das jedem hätte passieren können, weil der Spinat direkt neben dem Fingerhut gewachsen ist. Ich denke mir, sie haben eine Hand voll ausgerissen und eben beide Sorten Blätter erwischt. Aber traurig war es doch, denn meine Großmutter sagte, sie wäre ein hübsches Mädchen mit goldenen Haaren gewesen.«
    »Und sie ist jede Woche nach London gefahren? An ihrem freien Tag natürlich.«
    »Ja, sie soll behauptet haben, sie hätte dort Freunde. Sie war Ausländerin. Man hat sogar davon geredet, dass sie eine deutsche Spionin war.«
    »Und war sie eine?«
    »Ich glaube nicht. Bei den Männern muss sie sehr gut angekommen sein. Wissen Sie, bei den Marineoffizieren und denen vom Ausbildungslager in Shelton. Da hat sie auch ein oder zwei Freunde gehabt. Im Lager, meine ich.«
    »Dann war sie wohl doch eine Spionin?«
    »Kaum. Ich meine, meine Großmutter hat gesagt, die Leute hätten so was geredet. Es war auch nicht im Zweiten Weltkrieg. Es war lange, lange vorher.«
    »Komisch«, sagte Tuppence, »wie leicht man die Kriege durcheinander bekommt. Ich habe noch

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