Alter schützt vor Scharfsinn nicht
weiß ich nicht so genau. Manchmal hat sie gesagt, sie wäre eine Prinzessin auf der Flucht. Oder Maria, die Königin von – meine ich jetzt Irland oder Schottland?«
»Maria Stuart? Sie war Königin von Schottland.«
»Ja, stimmt. Sie sagte, sie reiste nach England und wollte Königin Elizabeth um Gnade bitten. Aber ich glaube nicht, dass die sehr gnädig war.«
»Das war«, begann Tuppence und verbarg ihre Enttäuschung, »alles sehr interessant. Wie hieß die Familie doch noch?«
»Es waren die Bassingtons.«
»Haben Sie eine Mary Jordan gekannt?«
»Ich weiß schon, wen Sie meinen. Aber da war ich noch nicht hier, glaube ich. Sie meinen die junge deutsche Spionin?«
»Es scheint sie hier jeder zu kennen«, stellte Tuppence fest.
»Ja. Sie nannten sie ›Fräulein‹. Komisch, was?« Isaac lachte und sagte dann: »Da fällt mir ein, Sie sollten sich um den Gemüsegarten kümmern. Wenn Sie Stangenbohnen haben wollen, wird’s Zeit, und für die Erbsen auch. Und was ist mit Salat? Nehmen Sie Tom Thumbs? Das ist eine gute Salatsorte, klein und knackig.«
»Sie haben sicher schon in vielen Gärten gearbeitet. Ich meine, nicht nur in unserem, sondern in der ganzen Nachbarschaft.«
»Ja, ich habe immer ausgeholfen. Manche waren mit ihren Gärtnern nicht zufrieden und sonst bin ich immer, wenn viel Arbeit war, zum Aushelfen gekommen. Hier, bei Ihnen, ist übrigens mal was passiert. Sie haben das Grünzeug verwechselt. War aber damals nicht da.«
»Ging es nicht um Blätter vom Fingerhut?«, fragte Tuppence unschuldsvoll.
»So was! Dass Sie das gehört haben! Es ist nämlich schon sehr lange her. Ja, ein paar Leute haben sich dran vergiftet. Jemand ist sogar gestorben, wie ich gehört habe. Vielleicht war’s nur Gerede. Ein Freund hat’s mir erzählt.«
»Ich dachte, es wäre das ›Fräulein‹ gewesen?«
»Was? Die war das? Das habe ich nicht gewusst.«
»Vielleicht täusche ich mich. Wie wär’s, wenn Sie das Gespann, das Wahreliebe heißt, auf den Hügel zögen, wie früher Miss Pamela? Falls es ihn noch gibt?«
»Natürlich gibt’s ihn noch. Was glauben Sie denn? Es ist immer noch Wiese, aber Sie müssen sehr vorsichtig sein. Ich weiß nicht, wie stark Wahreliebe verrostet ist. Ich würde sie gern erst säubern und nachsehen. Soll ich?«
»Ja, gut. Und wenn Sie dabei mal drüber nachdenken könnten, was wir an Gemüsesamen oder Pflanzen für den Garten brauchen.«
»Na, ich pass bestimmt auf, dass Sie nicht Spinat und Fingerhut gemischt bekommen. Wär mir gar nicht recht, wenn ich hörte, dass Ihnen was passiert ist, gleich nachdem Sie hier eingezogen sind. Sie haben ein schönes Grundstück. Sie müssen nur ein bisschen investieren.«
»Herzlichen Dank«, sagte Tuppence.
»Und dann nehme ich mir Wahreliebe vor, damit sie nicht unter Ihnen zusammenbricht. Sie ist ja sehr alt, aber manchmal funktioniert was Altes erstaunlich gut. Wissen Sie, vor einiger Zeit hat ein Vetter von mir ein altes Fahrrad gekauft. Niemand hätte geglaubt, dass das noch lief – es hat vierzig Jahre herumgestanden. Und wie es gelaufen ist! Nur mit ein bisschen Öl. Großartig, was man mit ein bisschen Öl erreichen kann.«
11
» W as um alles in der Welt…«, sagte Tommy.
Er war daran gewöhnt, bei seiner Rückkehr Tuppence an den unmöglichsten Orten vorzufinden, aber dies überbot alles bisher Dagewesene. Im Haus hatte er keine Spur von ihr entdeckt. Er vermutete, dass sie trotz des leichten Regens irgendwo im Garten in eine Arbeit vertieft war, und ging hinaus.
Das war der Augenblick, als er sagte: »Was um alles in der Welt…«
»Tag, Tommy«, rief Tuppence. »Du bist früher gekommen, als ich dachte.«
»Was ist das?«
»Meinst du Wahreliebe?«
»Willst du etwa damit fahren? Es ist doch zu klein für dich!«
»Natürlich! Es ist ja auch für Kinder gemacht.«
»Fährt es überhaupt?«
»Nicht so ganz. Aber wenn man es oben auf den Hügel stellt, kommen die Räder bergab von allein in Schwung. Dann kann man damit fahren.«
»Und unten eine Bruchlandung bauen. Hast du die schon hinter dir?«
»Aber nicht doch, Tommy! Man bremst mit den Füßen. Soll ich’s dir mal vormachen?«
»Lieber nicht. Der Regen wird auch immer stärker. Ich wollte nur wissen, warum du – ja, warum tust du das eigentlich? So lustig kann’s doch nicht sein?«
»Ehrlich gesagt, habe ich große Angst. Aber ich wollte es ausprobieren und…«
»Und deshalb stehst du vor diesem Baum? Was ist das überhaupt für einer?
Weitere Kostenlose Bücher