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Alter schützt vor Scharfsinn nicht

Alter schützt vor Scharfsinn nicht

Titel: Alter schützt vor Scharfsinn nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Ort kommt mir bekannt vor. Ist dort nicht mal was passiert, das in Ihr Fach schlägt?«
    »Nicht zu meiner Zeit«, antwortete Tommy. »Ich habe erst davon gehört, nachdem wir hingezogen sind. Geschichten der Vergangenheit. Es ist mindestens sechzig Jahre her.«
    »Hatte es nicht irgendwas mit einem U-Boot zu tun? U-Boot-Pläne, die an irgendjemand verkauft worden sind? Ich habe vergessen, an wen wir damals Schiffe verkauften. Vielleicht an die Japaner, vielleicht an die Russen – ach, an viele Länder. Feindliche Agenten schien man immer nur im Regent’s Park oder an einem ähnlichen Ort zu treffen. Wissen Sie, man traf, sagen wir mal, den dritten Sekretär einer Botschaft. So schöne Spioninnen wie in den Romanen hat’s leider nie gegeben.«
    »Ich wollte Sie gern etwas fragen, Mutton-Chop.«
    »So, na schießen Sie los. Ich habe kein sehr ereignisreiches Leben geführt. Margery – Sie erinnern sich noch an Margery?«
    »Selbstverständlich. Beinahe wäre ich zu Ihrer Hochzeit gekommen.«
    »Ich weiß. Sie waren verhindert, oder vielmehr Sie haben den falschen Zug genommen, wenn ich mich richtig erinnere. Er fuhr nach Schottland, statt nach Southall. Na, es war kein großer Schaden, dass Sie nicht kamen. Es ist nicht viel draus geworden.«
    »Wieso?«
    »Aus irgendeinem Grund hat es nicht funktioniert. Nach anderthalb Jahren war es vorbei. Sie hat wieder geheiratet. Ich nicht, aber es geht mir nicht schlecht. Ich wohne in Little Pollon. Der Golfplatz ist recht ordentlich. Meine Schwester versorgt mir den Haushalt. Sie ist eine wohlhabende Witwe und wir vertragen uns gut. Sie ist ziemlich taub und hört schlecht, sodass man eben etwas brüllen muss.«
    »Sie sagten, Sie hätten von Hollowquay gehört? War es wirklich Spionage?«
    »Ach, lieber Freund, offen gestanden – es ist schon so lange her, dass ich es nicht mehr genau weiß. Damals hat es viel Aufsehen erregt. Wissen Sie, prachtvoller junger Marineoffizier, über jeden Tadel erhaben, neunzig Prozent britisch, hundertfünf Prozent zuverlässig – aber nichts stimmte dann. Er wurde von – nein, ich erinnere mich nicht, von wem er bezahlt wurde. Ich schätze, von den Deutschen. Es war vor dem Krieg von 1914. Ja, um die Zeit muss es gewesen sein.«
    »Eine Frau soll dabei auch eine Rolle gespielt haben«, sagte Tommy.
    »Mir ist, als hätte ich ihren Namen gehört. Mary Jordan hieß sie, kann das sein? Die Sache ist mir wirklich nicht mehr recht klar. Es stand in den Zeitungen und ich glaube, es ging um seine Frau – die Frau des über jeden Verdacht erhabenen Marineoffiziers, meine ich. Seine Frau hat sich mit den Russen in Verbindung gesetzt und – nein, halt, das war später. Es gerät einem alles durcheinander – die Fälle gleichen sich so. Die Frau fand, dass er nicht genug Geld verdiente – was ja wohl heißt, dass sie nicht genug Geld bekam. Und darum… Sagen Sie mal, warum wollen Sie diesen alten Kram wieder ausgraben? Was haben Sie nach so langer Zeit noch damit zu tun? Ich erinnere mich, Sie hatten mal mit einem Passagier der Lusitania zu tun, der mit dem Schiff untergegangen ist. In jene Sache waren Sie doch verwickelt, oder war’s Ihre Frau?«
    »Alle beide«, antwortete Tommy. »Es ist so lange her, dass ich mich nicht mehr richtig erinnere.«
    »Eine Frau steckte dahinter, nicht wahr? Sie hieß Jane Fish oder Jane Whale.«
    »Jane Finn«, berichtigte Tommy.
    »Wo ist sie jetzt?«
    »Mit einem Amerikaner verheiratet.«
    »Soso. Wie nett, so was zu hören. Man kommt immer wieder auf die alten Freunde zu sprechen und was aus ihnen geworden ist. Entweder sind sie tot, was einen enorm überrascht, weil man es nicht für möglich gehalten hat, oder sie sind nicht tot, und das überrascht einen dann noch mehr. Das Leben ist nicht einfach.«
    Tommy fand das auch und dann erschien der Ober. Was die Herren essen wollten… Danach wandte sich die Unterhaltung feinschmeckerischen Fragen zu.
     
    Am Nachmittag hatte Tommy noch eine Verabredung. Diesmal mit einem melancholischen und griesgrämigen Mann, der in seinem Büro saß und offensichtlich Tommy die Zeit nicht gönnte, die er ihm widmen musste.
    »Tja, da kann ich Ihnen nicht viel sagen. Natürlich weiß ich so ungefähr, wovon Sie sprechen – damals hat es viel Gerede gegeben, es kam zu einem politischen Skandal –, aber über derartige Dinge bin ich nicht informiert, verstehen Sie? Nein. Sie müssen bedenken, dass so etwas rasch in Vergessenheit gerät, nicht wahr? Sobald in der Presse

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