Alter schützt vor Scharfsinn nicht
sich Gedanken, nicht wahr? Wissen Sie noch mehr, Beresford? Wann war das? Im Ersten Weltkrieg, im Zweiten oder früher?«
»Vor dem Ersten Weltkrieg. Die Gerüchte kamen nie zum Schweigen, dass es damals eine deutsche Spionin gegeben hat.«
»Ich erinnere mich! Es war eine Riesensensation. Man hielt jeden Deutschen, der vor 1914 in England arbeitete, von vornherein für einen Spion. Der englische Offizier, der in den Fall verwickelt war, galt als ›über jeden Verdacht erhaben‹. Ich persönlich sehe mir solche Leute immer ganz genau an. Das ist nun lange her und ich glaube nicht, dass kürzlich etwas darüber veröffentlicht worden ist. Ich meine, nicht in dem Sinn, dass alte Akten frei gegeben wurden und jemand sie für den Publikumsgeschmack aufbereitet hat.«
»Es ist leider alles so vage!«
»Natürlich! Nach so langer Zeit! Die Geschichte wurde immer mit den U-Boot-Plänen in Verbindung gebracht, die damals abhandenkamen. Man sprach auch von Flugzeugplänen. So etwas ist immer interessant und weckt Neugier. Aber es handelte sich nicht allein darum, wissen Sie. Man darf die politischen Auswirkungen nicht außer Acht lassen. Bedeutende Politiker steckten mit drin. Gerade solche, von denen man annahm, sie wären rechtschaffen und loyal. Rechtschaffenheit kann ebenso gefährlich sein wie ein über jeden Verdacht erhabener Offizier. Ich erinnere mich an einen solchen Fall aus dem letzten Krieg: Ein Mann dort unten an der Küste – er wohnte in einem kleinen Haus am Strand – war ein Anhänger Hitlers und sammelte Schüler um sich. Er predigte, es bliebe uns nichts anderes übrig, als uns mit ihm zu verbünden. Dabei machte er einen so seriösen Eindruck. Er hatte ein paar gute Ideen. Er wollte die Armut, soziale Unsicherheit und Ungerechtigkeit abschaffen – lauter solche Dinge, wissen Sie. Ja. Er blies ins Horn der Faschisten, nannte es aber nie Faschismus. Mit Spanien hatte er es auch und mit Franco selbstverständlich. Dazu kam dann noch der gute alte Mussolini. Ja, dunkle Geschäfte hat es vor Kriegen auch immer gegeben. Viele Dinge kommen nie ans Tageslicht und niemand erfährt je etwas Genaues.«
»Sie wissen wirklich gut Bescheid«, sagte Tommy. »Entschuldigen Sie, ich möchte nicht aufdringlich wirken, aber es ist eine große Freude, jemand zu treffen, der so gut informiert ist.«
»Na ja, ich hatte oft die Finger im Spiel, wie man sagen könnte. Wissen Sie, ich bin auf Umwegen an die Dinge gekommen oder blieb im Hintergrund. Man hört viel. Auch von seinen alten Freunden erfährt man eine Menge, die sich mit den betreffenden Angelegenheiten befasst hatten und die Details kannten. Sie werden das sicher auch schon erfahren haben.«
»Ja, natürlich«, sagte Tommy. »Man trifft alte Freunde, die wieder alte Freunde haben, und dann kommt viel zusammen, was sie wissen und was man selbst weiß. Damals hat man sich auf das Ganze keinen Reim gemacht, jetzt hört man wieder davon und plötzlich wird es sehr interessant.«
»Ja. Ich verstehe jetzt, worauf Sie hinauswollen. Merkwürdig, dass Sie gerade über diesen Fall gestolpert sind.«
»Der Ärger ist nur«, sagte Tommy, »dass ich gar nicht weiß, ob wir vielleicht nur einem Hirngespinst nachjagen. Wir haben das Haus gekauft, weil wir dort wohnen wollten. Es war genau, wie wir es uns erträumten. Wir haben es nach unseren Plänen umgebaut und jetzt versuchen wir, den Garten in Ordnung zu bringen. Wir dachten sozusagen an nichts Böses. Unser Beweggrund war nichts als reine Neugier.«
»So ist der Mensch nun einmal beschaffen. Die Neugier ist der Beweggrund für alle Forschung, sie führt uns auf den Mond und in die Tiefen des Meeres. Sie lässt uns Erdgas in der Nordsee entdecken und Sauerstoff aus dem Meer gewinnen. Ohne Neugier wäre der Mensch wie eine Schildkröte, die übrigens ein sehr angenehmes Leben führt. Sie schläft im Winter und lebt im Sommer von nichts anderem als Gras. Vielleicht kein interessantes, aber ein sehr friedliches Leben. Andererseits – «
»Andererseits könnte man sagen, der Mensch gleicht einem Mungo.«
»Aha! Sie lesen Kipling. Das freut mich. Kipling wird heutzutage leider viel zu wenig geschätzt. Er war ein großartiger Schriftsteller. Man sollte ihn viel mehr lesen. Seine Kurzgeschichten sind erstaunlich gut.«
»Ich möchte mich nicht gern blamieren«, sagte Tommy. »Ich möchte meine Nase nicht in Dinge stecken, die mich nichts angehen. Die heute keinen Menschen mehr etwas angehen, sollte ich vielleicht
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