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Alter schützt vor Scharfsinn nicht

Alter schützt vor Scharfsinn nicht

Titel: Alter schützt vor Scharfsinn nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ein neuer Skandal breit getreten wird, vergisst man den vorigen.«
    Er wurde etwas gesprächiger, als die Rede auf einige Glanzpunkte seines eigenen Lebens kam – Verdachtsmomente, die plötzlich und überraschend geklärt worden waren, oder irgendein äußerst seltsamer Vorfall, der seinen Verdacht erregt hatte. Am Ende sagte er: »Ein wenig kann ich Ihnen doch weiterhelfen. Hier habe ich eine Adresse für Sie. Sie sind bereits angemeldet. Ein netter Bursche. Glänzend informiert. Höher geht’s nicht. Er ist ganz oben. Eine meiner Töchter ist sein Patenkind. Deshalb ist er nett zu mir und tut mir nach Möglichkeit jeden Gefallen. Ich habe ihn gefragt, ob er bereit wäre, Sie zu empfangen, es gäbe da einige Dinge, über die Sie gern Bescheid wüssten. Ich habe ihm erzählt, was für ein netter Kerl Sie sind und so weiter, und er meinte, er hätte schon von Ihnen gehört. Sie sollen ruhig kommen – um Viertel vor vier. Hier ist die Adresse, ein Büro in der City. Sind Sie ihm schon mal begegnet?«
    »Ich glaube nicht.« Tommy betrachtete die Visitenkarte und den Zettel mit der Adresse. »Nein.«
    »Sie würden ihn nie für einen Mann halten, der Einfluss hat, er ist sehr groß, wissen Sie, und gelb.«
    »Groß und gelb?«
    Tommy konnte sich darunter nicht sehr viel vorstellen.
    »Er ist ganz oben«, versicherte sein griesgrämiger Freund. »Absolute Spitze. Gehen Sie nur hin! Etwas kann er Ihnen auf jeden Fall erzählen. Na, dann viel Glück, mein Lieber!«
     
    Nachdem sich Tommy erfolgreich bis zu dem Bürogebäude in der City durchgekämpft hatte, wurde er von einem Mann zwischen fünfunddreißig und vierzig empfangen, der ihn mit Blicken durchbohrte, die nichts Gutes verhießen. Tommy hatte das Gefühl, verdächtigt zu werden, entweder eine Bombe in einem unverfänglichen Behältnis bei sich zu tragen oder eine Entführung zu planen oder die ganze Belegschaft mit einem Revolver in Schach halten zu wollen. Es machte ihn schrecklich nervös.
    »Sie sind mit Mr Robinson verabredet? Wann, sagten Sie? Aha, um Viertel vor vier?«
    Er beugte sich über einen Terminkalender.
    »Mr Thomas Beresford?«
    »Ja«, antwortete Tommy.
    »Gut. Wenn Sie bitte hier unterschreiben würden.«
    Tommy schrieb seinen Namen an die gewünschte Stelle.
    »Johnson!«
    Ein fahrig wirkender junger Mann von etwa dreiundzwanzig tauchte wie eine Erscheinung von seinem Schreibtisch hinter einer Glaswand auf.
    »Ja, Sir?«
    »Bringen Sie Mr Beresford in den vierten Stock zum Büro von Mr Robinson.«
    »Ja, Sir!«
    Er führte Tommy zu einem Lift. Es war die Sorte Lift, die ihre eigenen Vorstellungen zu haben scheint, wie man mit einem Fahrgast umzugehen hat. Die Türen glitten auseinander, Tommy ging hinein und wurde von ihnen beinahe festgequetscht, weil sie sich zu früh schlossen. Krachend knallten sie knapp hinter seinem Rücken zu.
    »Ein kühler Nachmittag«, stellte Johnson fest und gab sich dem Besucher gegenüber freundlich, weil dieser sofort ins Allerheiligste vorgelassen wurde.
    »Ja«, sagte Tommy, »nachmittags scheint es immer kühl zu sein.«
    »Manche behaupten, es kommt von der Umweltverschmutzung, andere sagen, das Erdgas ist schuld, das sie aus der Nordsee holen.«
    »Ach? Das habe ich noch nie gehört.«
    »Mir kommt es auch unwahrscheinlich vor«, stellte Johnson fest. Sie glitten am zweiten und dritten Stock vorüber und hielten schließlich. Johnson führte Tommy, der wieder nur mit knapper Not den Lifttüren entkam, durch einen Korridor zu einer Tür, klopfte an, wurde hereingerufen, hielt die Tür auf, ließ Tommy über die Schwelle schreiten und sagte: »Mr Beresford, Sir. Er ist angemeldet.«
    Dann verschwand er. Das Zimmer wurde von einem riesigen Schreibtisch ausgefüllt, hinter dem ein großer, schwerer Mann mit einem großflächigen gelben Gesicht saß. Seine Nationalität ließ sich nicht erraten. Er konnte alles sein. Tommy hielt ihn ganz instinktiv für einen Ausländer. Ein Deutscher vielleicht? Oder ein Österreicher? Vielleicht sogar ein Japaner. Andererseits war es durchaus möglich, dass er Engländer war.
    »Oh, Mr Beresford!«
    Mr Robinson stand auf und reichte ihm die Hand.
    »Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben«, sagte Tommy.
    Er hatte das Gefühl, Mr Robinson schon gesehen oder früher einmal gezeigt bekommen zu haben. Auf jeden Fall musste er damals – wann immer es auch gewesen war – ziemlich eingeschüchtert gewesen sein, weil Mr Robinson ein so bedeutender

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