Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)
hören. Plötzlich hob Amy den Arm, um die Kolonne anzuhalten.
»Was ist?«, fragte Tobias hinter ihr besorgt.
»Schnell! Ins Gebüsch!«, befahl sie mit Panik in der Stimme.
Ohne Fragen zu stellen, drangen sie in den Wald ein, an dem sie entlanggingen, und versteckten sich im Unterholz. Sie zogen die Hunde hinter sich her in den Schatten der Blätter.
»Ich habe niemanden gesehen«, flüsterte Floyd zu Amy. »Dabei habe ich den Weg genau beobachtet.«
»Nicht der Weg ist das Problem, sondern der Himmel«, antwortete das blonde Mädchen und zeigte auf einen winzigen schwarzen Punkt, der sich vor den weißen Wolken abzeichnete.
»Ich kann nichts erkennen. Was ist das?«
»Ein Vogel.«
»Na und?«
»Er ist tot«, fügte Amy hinzu.
Die Gruppe rückte näher zusammen.
»Wie kannst du da so sicher sein? Man kann ihn kaum erkennen!«, bemerkte Tania.
»Meine Alteration wirkt sich auf meine Sehkraft aus. Ich kann sehr weit sehen, auch nachts.«
»Wie praktisch«, flüsterte Tobias.
Matt robbte zu Amy.
»Bist du ganz sicher, dass der Vogel tot ist?«
»Absolut. Sein Gefieder glänzt und ist mit Teer verschmiert. Wie in Eden.«
»Gute Reaktion«, lobte Matt sie. »Diese Viecher dienen dem Foltergeist wahrscheinlich als Kundschafter. Sie dürfen uns auf keinen Fall entdecken.«
»Diesen habe ich früh genug gesehen, aber vielleicht habe ich beim nächsten Mal nicht so viel Glück.«
»Dann verlassen wir den Weg. Wir schlagen uns parallel dazu durch den Wald.«
»Auf diese Weise werden wir viel langsamer vorankommen«, wandte Chen ein. »Ich dachte, wir hätten es eilig?«
»Vorerst ist es nur eine Vorsichtsmaßnahme bis heute Abend. Dann haben wir den Foltergeist hoffentlich hinter uns gelassen. Mit etwas Glück folgen ihm seine Kundschafter.«
Sie warteten, bis der Vogel verschwunden war. Dann erhoben sie sich und liefen weiter.
Das Gestrüpp war nicht sehr dicht, und so kamen sie besser voran, als Matt gedacht hatte. Sie liefen einen Steinwurf vom Weg entfernt zwischen den Bäumen hindurch.
Floyd beschleunigte seine Schritte, bis er mit Matt auf einer Höhe war. Dann sagte er leise:
»Der Vogel ist ein Hinweis darauf, dass der Foltergeist nicht weit ist. Das bedeutet, dass er uns entgegenkommt.«
»Stimmt.«
»Vielleicht wäre es klug, Amy und Tania vorauszuschicken. Wenn Amy jemanden auf dem Weg erspäht, kann Tania zurücksprinten und uns warnen.«
»Die Mädchen vorausschicken? Nicht gerade galant, aber es ist eine gute Idee.«
Ein paar Minuten später marschierten Amy und Tania fünfhundert Meter vor den anderen.
Am späten Nachmittag mussten sie mehrmals den Schutz der Bäume verlassen, um eine Lichtung zu überqueren. Matt war alles andere als wohl bei der Sache, aber alles ging gut.
Als im Westen die Sonne unterging, beschloss er, das Nachtlager aufzuschlagen. Zwischen zwei vom Blitz gespaltenen Baumstämmen etwa zwanzig Meter abseits des Wegs fanden sie eine geeignete Stelle. Sie nahmen den Hunden einen Teil des Gepäcks ab, und die treuen Tiere ließen sich im Kreis um ihre Herrchen und Frauchen nieder. Nur Plusch, Gus und Zap, der Collie von Chen, trabten nach einem raschen Blick auf die Pans wie drei Verschwörer davon.
»Soll ich ein Feuer machen?«, fragte Floyd.
»Warum nicht?«, meinte Tobias. »Dann können wir das Fleisch braten.«
»Lieber nicht«, widersprach Matt. »Der Rauch könnte uns verraten.«
»Unter den Bäumen sieht man ihn nicht«, erklärte Tobias.
»Doch.«
»Na gut, der Chef meint: kein Feuer.«
»Ich bin nicht der Chef«, wies Matt ihn scharf zurecht.
Tobias hob die Hände über den Kopf.
»Schade, ich fand den Gedanken beruhigend …«
Plötzlich flog etwa hundert Meter nördlich von ihnen eine Schar Vögel auf. Alle Pans außer Chen zuckten zusammen.
»Keine Angst«, meinte er, »das müssen die Hunde sein.«
»Nein, sie sind Richtung Westen gelaufen«, erwiderte Matt und blickte starr nach Norden.
Auf einmal verstummten die zahlreichen kleinen Geräusche der Natur, und der Wind legte sich. Die abendlichen Schatten wurden länger, im Wald wurde es abrupt düster. Bald wirkte die ganze Umgebung wie erstarrt.
Wie tot.
Die sechs Pans blieben reglos sitzen. Die plötzliche Veränderung war gruselig.
Matt beugte sich vor, packte den Griff seines Schwertes und zog es aus der Scheide. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Tobias zu Bogen und Köcher griff und Tania seinem Beispiel folgte.
Erst drei, dann vier und schließlich sechs lange Beine
Weitere Kostenlose Bücher