Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)
Gelegenheit, um all ihre Trinkschläuche aufzufüllen. Tobias beschwerte sich, weil er nicht die Zeit hatte, ein wenig frischen Fisch zu angeln.
Es war der schlimmste Tag seit ihrer Abreise.
Ihr ganzer Leib bestand nur noch aus Schmerz: Die Füße waren mit eiternden Blasen übersät, die Beine hölzern, der Rücken verspannt, die Schultern von den Riemen der Rucksäcke wundgescheuert. Nur der Zusammenhalt der Gruppe trieb sie noch voran, und Amy und Floyd, die am durchtrainiertesten waren, lösten sich bei der Führung ab, um ein gleichmäßiges Tempo zu halten.
Am späten Vormittag kletterten sie einen steilen Hügel hoch, der kein Ende zu nehmen schien. Es war, als weiche der Gipfel ständig zurück. Doch als sie endlich oben ankamen, hatten sie einen herrlichen Blick auf die ganze Umgebung.
»Kann man Eden von hier aus sehen?«, fragte Tania.
»Nein, wir sind inzwischen mehr als achtzig Kilometer entfernt«, erklärte Floyd.
»So weit schon?«
»Wir legen etwa vierzig Kilometer am Tag zurück.«
»Jetzt weiß ich, warum meine Füße in so einem erbärmlichen Zustand sind!«
Amy trat zu ihnen.
»Wir müssen entscheiden, welchen Weg wir von hier aus nehmen. Die Brücke der schlechten Erinnerungen ist nicht mehr weit«, sagte sie und zeigte nach Norden.
Nachdem der Fluss drei Schleifen machte, wurde er von einer länglichen schwarzen Form überspannt, die auf diese Entfernung wie eine merkwürdige Verlängerung des Waldes aussah.
»Was willst du damit sagen?«, fragte Matt.
»Wenn wir auf dieser Uferseite bleiben, müssen wir das Moor von Yalhan, ein scheußliches Sumpfgebiet, durchqueren. Wir werden viel Zeit verlieren, aber wenigstens sind wir dort vor Verfolgern sicher.«
»Und sonst?«
»Wir könnten auch die Brücke nehmen und nach Canaan gehen. Am anderen Ufer entlang führt ein Weg zu dem Dorf.«
Matt nickte.
»Lasst uns keine Zeit verlieren! Die zweite Möglichkeit gefällt mir besser.«
»Die Brücke, Matt«, wandte Floyd ein, »ist ein strategischer Punkt. Wenn die Foltergeister dich tatsächlich suchen, werden sie vermutlich daran gedacht haben, dort einen von ihnen zu postieren.«
»Dazu müssten sie wissen, dass ich Eden verlassen habe. Und selbst wenn sie es, auf welche Weise auch immer, gestern Abend erfahren haben, hätten sie nicht die Zeit gehabt, sich zu organisieren. Nein, ich glaube nicht, dass das ein Problem ist. Wir werden vorsichtiger sein, wenn wir weiter nach Norden kommen, aber im Moment bin ich zuversichtlich.«
»Wie du meinst.«
Sie marschierten weiter und erreichten ihr Ziel kurz nach dem Mittagessen: eine imposante Hängebrücke. Je näher sie dem Aufgang kamen, desto breiter wurde der Weg. Die Seile, die die Brücke hielten, und die Pfeiler waren komplett mit Lianen und Kletterpflanzen überwuchert, weshalb es auf dem ganzen Bauwerk ziemlich düster war. Sogar der Boden war von einer dicken grünen Schicht bedeckt.
»Seid ihr sicher, dass sie noch hält?«, fragte Tobias besorgt.
»Alle Weitwanderer, die nach Norden ziehen, gehen hier drüber«, erklärte Amy. »Außerdem wiegen wir ja nicht zwei Tonnen.«
Obwohl die Brücke recht breit war, liefen sie hintereinander. Zwischen den Kabeln pfiff ihnen der Wind um die Ohren. Er fegte mit voller Geschwindigkeit durch die Schlucht, die der Fluss gegraben hatte.
Schweigend stapften sie voran und beäugten die Schlingpflanzen um sie herum misstrauisch. Als sie die Mitte der Brücke erreicht hatten, schrie Chen plötzlich auf:
»Oh, Mann! Ist das ekelhaft!«
Er deutete auf den Boden zu seiner Rechten.
Die halb verweste Leiche eines Jugendlichen lag auf dem Moos.
Floyd trat heran und beugte sich vor, um sie zu untersuchen.
»Jemand von uns?«, fragte Matt.
Floyd nickte finster. Er nahm sein Messer und hob damit einen Stofffetzen hoch.
»Ein dunkelgrüner Umhang«, sagte er. »Ein Weitwanderer. Es kann noch nicht lange her sein, der Verwesungsgeruch ist noch sehr stark, und da … hängt noch etwas Fleisch an den Knochen.«
Tania und Chen hielten sich die Hand vor den Mund. Ihnen war speiübel.
»Ich glaube, das ist Walton«, murmelte Floyd. »Er sollte dieser Tage zurückkehren.«
Amy trat zu ihm.
»Was ist ihm zugestoßen?«
Floyd deutete mit der Spitze seines Messers auf die langen Kratzspuren auf dem Brustkorb des toten Weitwanderers.
»Er wurde von einem Tier angegriffen.«
»Könnte es der Foltergeist gewesen sein, dem wir begegnet sind?«, fragte Matt.
»Eher nicht. Die Wunden stammen
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