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Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)

Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)

Titel: Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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anderen Ende des Saals wurde eine breite Plattform über einen Mechanismus aus Gegengewichten langsam herabgelassen. Der Aufzug aus Holzbrettern und Eisenketten kam auf ihrer Höhe zum Stehen. Ein mit einer Plane bedeckter Karren, der von zwei Pferden gezogen wurde, stand auf der Plattform. Der Kutscher hielt eine Fackel in der Hand, und neben dem Karren standen drei Soldaten in Rüstung. Einer von ihnen hatte einen Hebel betätigt, um die Plattform zum Halten zu bringen.
    Die Pferde zogen an, und der Karren rollte bis vor die Türen, die von dem Saal abgingen. Einer der Soldaten klopfte an.
    Ein kleiner Mann mit struppigem, rotem Haar kam heraus und rieb sich die Hände;
    »Ah! Die neue Lieferung!«, rief er freudig.
    »Grimm!«, zischte Zelie wütend. »Ich wusste, dass man ihm genauso wenig trauen kann wie seinem Herrn und Meister!«
    »Ganz frisch«, erwiderte der Kutscher. »Direkt aus Babylon.«
    »Wie viele?«
    »Drei Mädchen und ein Junge.«
    »Mädchen! Wunderbar! Sie halten mehr aus. Wachen, bringt sie in die Zellen, damit sie sich von der Reise erholen können. Doktor Gélénem kümmert sich in ein paar Tagen um sie, wenn sie ausgeruht sind.«
    »Ich hätte auch nichts dagegen«, meinte der Kutscher, »eine kleine Verschnaufpause einzulegen, wenn –«
    »Sie fahren sofort wieder zurück«, unterbrach ihn Grimm. »Wir brauchen mehr Kinder. Viel mehr! Wir machen Fortschritte, aber das reicht nicht. Der Doktor will mehr.«
    »Aber es wird immer schwieriger, sie unbemerkt verschwinden zu lassen!«
    »Wir kümmern uns um den Briefverkehr, machen Sie sich keine Sorgen. Eden ahnt nichts! Tun Sie das, wofür Sie bezahlt werden, und machen Sie sich keine Gedanken um den Rest. Los, auf, auf!«
    Der Kutscher brummelte etwas in seinen Bart, während Grimm die Tür schloss und von innen verriegelte.
    Die Soldaten schoben die Plane hinten am Karren zurück, zogen vier verdatterte Jugendliche heraus und bugsierten sie in einen anderen Tunnel. Im nächsten Moment waren sie verschwunden.
    Der Karren setzte sich wieder in Bewegung, als die Pferde kehrtmachten und müde zum Aufzug zurücktrotteten.
    Zelie zupfte ihre Schwester am Ärmel.
    »Jetzt oder nie! Finden wir heraus, wohin der Aufzug führt!«
    Sie schlichen von hinten an das Gespann heran und kletterten ins Innere, wo sie sich zwischen übelriechenden Käfigen ins Stroh kauerten. Auf der Plattform angekommen, legte der Kutscher den Hebel um, das Gegengewicht des Mechanismus glitt nach unten, und die Plattform stieg in die Höhe.
    »Warum sind die Zyniks während der Großen Schlacht nicht durch die Kloake in die Festung eingedrungen?«, wunderte sich Maylis.
    »Ich nehme an, dass der Aufzug noch nicht fertig war. Schau nur, er ist noch ganz neu. Die Ketten sind blitzblank, und das Holz ist noch ganz neu. Wahrscheinlich hat der Unschuldstrinker den Zugang erst schaffen lassen, nachdem er die Festung vor ein paar Monaten bezogen hat.«
    Die Felswände glitten langsam vorbei, während sich drei riesige Ketten rasselnd über Zahnräder drehten. Der Aufstieg kam den beiden Schwestern unendlich lang vor. Endlich drang etwas Tageslicht zu ihnen herab.
    Als der Aufzug anhielt, hoben Zelie und Maylis die Plane an und spähten nach draußen. Sie befanden sich in einer großen Höhle, die im Zwielicht lag. Sechs Soldaten spielten an einem Tisch Karten und tranken Wein. Sie waren vollkommen in ihr Spiel vertieft und schenkten dem Kutscher kaum Beachtung.
    Der Karren rumpelte durch die Höhle und fuhr durch einen Vorhang aus Schlingpflanzen hindurch. Nun befanden sie sich mitten im Wald.
    Sonnenstrahlen glitzerten durchs Blätterdach, und das helle Licht machte den Mädchen Mut. Die Vögel zwitscherten fröhlich, und die Natur duftete beruhigend nach wilder Minze, Blumen und feuchter Erde.
    Die beiden Schwestern hatten das Gefühl, nach einem zu langen Aufenthalt in der Hölle ins Leben zurückzukehren.
    Ein gutes Stück von der Grotte entfernt sprangen sie von dem fahrenden Gespann ab und versteckten sich in einem Meer aus Farnkraut.
    Als sie kurz darauf zu einer Lichtung gelangten, erblickten sie die Festung zwischen den Bäumen. Sie waren nur knapp einen Kilometer von den Mauern entfernt in jenem Teil des Waldes, der für seine schmackhaften Pilze bekannt war.
    Im Burgfried lag Perrault noch immer auf der Couch, während Sigmund und Carl in der Vorratskammer Wache hielten.
    Noch gab es Kinder, die schlau genug waren, ihnen zu entkommen.

32. Bekenntnisse im Nebel
    D er

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