Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)
Nebel löste sich einfach nicht auf.
Den ganzen Morgen lang stapften die Pans Kilometer um Kilometer durch diese weiße Brühe. Der Anblick der fliehenden Tiere hatte die Mitglieder der Expedition tief verstört. Wachsam ließen sie den Blick schweifen. Beim kleinsten Dornenbusch, der im dichten Nebel auftauchte, zuckten sie zusammen. Doch das Schlimmste war die Stille. Es war völlig windstill, und weit und breit war kein Laut zu vernehmen. Die Pans hatten das mulmige Gefühl, allein auf der Welt zu sein. Auch der Donner war verstummt, was anfangs eine wahre Erleichterung war. Am Tag zuvor hatte sie das unablässige Grollen an den Rand eines Nervenzusammenbruchs getrieben. Selbst Schnee lag hier keiner, als gönne er dieser unwirtlichen Gegend sein makelloses Weiß nicht.
Die Pans liefen an einem stillen, reglosen Gewässer entlang. Niemand wollte hier seine Flasche auffüllen, sogar die Hunde weigerten sich, daraus zu trinken. Alle waren erleichtert, als sie es nach ein paar Kilometern hinter sich ließen.
Sie marschierten den ganzen Tag weiter, doch der Nebel lichtete sich nicht.
Die merkwürdigen Wetterverhältnisse beschäftigten Matt rund um die Uhr. Darüber vergaß er sogar Ambre und sein Bedürfnis, sie ständig zu berühren und ihr nahe zu sein.
Am nächsten Tag dasselbe Spiel: undurchdringlicher Nebel, beängstigend und trübe.
Gegen Abend konnten sich die Pans vor Erschöpfung kaum noch auf den Füßen halten. Plötzlich legte Amy Floyd, der an der Spitze der Kolonne ging, eine Hand auf den Arm. Alle blieben wie angewurzelt stehen.
»Irgendetwas kommt auf uns zu«, sagte sie leise.
Hastig zogen sie die Hunde hinter ein paar knorrige Büsche und warfen sich flach auf den Boden.
Eine runde Gestalt zeichnete sich im milchigen Dunst ab.
Eine Riesenspinne, größer als ein Mensch, schob sich auf dünnen Beinen durch die Gegend. Hin und wieder hielt sie inne und drehte den Kopf in alle Richtungen.
Aber kein Foltergeist saß auf ihrem Rücken.
Nach einer Weile verschwand sie genauso lautlos, wie sie aufgetaucht war, wieder im Nebel.
Die Pans hielten die Luft an und umklammerten ihre Waffen.
Später am Tag kroch ein fünfzig Meter langer und zwei Meter hoher Tausendfüßer in einiger Entfernung vorbei, ohne sie zu bemerken. Und in der Dämmerung flog ein Schwarm adlergroßer Mücken über sie hinweg. Die Insekten rasten im Zickzackkurs über das Sumpfgebiet, schienen sie aber nicht wahrzunehmen.
Dieser Nebel war ein echter Alptraum.
An diesem Abend schlug niemand vor, ein Feuer zu machen. Klaglos verzichteten alle auf die Wärme der Flammen und ein gekochtes Mahl. In dieser Nacht machten sie kein Auge zu, und die furchtbaren Insekten spukten ihnen noch lange im Kopf herum.
Als sie im Morgengrauen aufbrachen, zuckten im Norden abermals Blitze über den Himmel, näher als je zuvor. Ab und zu schienen sie nur wenige Meter vor ihnen einzuschlagen. Doch der Donner verriet das Gegenteil, er krachte immer erst mehrere Sekunden später los.
Schon beim Aufstehen ahnten sie, dass sie heute die Wand aus schwarzem Rauch erreichen würden.
Kurz nach dem Mittagessen war die düstere Front zum ersten Mal klar zu erkennen. Der Nebel wurde lichter und gab den Blick frei auf das, was sie erwartete: ein weiteres Nebelfeld, nur dunkler und noch erdrückender. Es ragte in den Himmel, als gäbe es jenseits davon nichts anderes mehr.
Um sie herum blitzte und donnerte es mittlerweile unaufhörlich.
»Jetzt ist der Moment gekommen, an dem ihr euch entscheiden müsst, ob ihr nach Eden zurückkehrt oder weiterzieht«, erklärte Matt ernst.
»Willst du uns auf den Arm nehmen?«, erwiderte Chen. »Nach allem, was wir durchgemacht haben, sollen wir das Finale verpassen?«
Aber sein Humor war nur Fassade.
»Das wird aber kein Sonntagsspaziergang.«
»Das wussten wir, bevor wir aufgebrochen sind«, erklärte Floyd.
»Keiner von uns lässt dich allein«, fügte Tania hinzu. »Entweder wir gehen zusammen in diese Wolke oder gar nicht.«
Ambre und Tobias warfen Matt nur einen vielsagenden Blick zu. Die Gemeinschaft der Drei verstand sich auch ohne Worte: Niemals würden sie einander im Stich lassen.
Matt wandte sich zu Amy um, weil er ihr Zögern spürte.
»Ich wollte wissen, wer oder was unsere Kameraden in Fort Strafe umgebracht hat«, sagte sie mit zittriger Stimme. »Ich dachte, das würde mir meine Ängste nehmen, aber das Gegenteil ist der Fall. Ich bin nicht sicher, ob ich weitergehen möchte.«
»Du kannst
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