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Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)

Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)

Titel: Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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Verantwortung.
    Maylis vergewisserte sich, dass die Sortierer in ihrer Nähe in die Arbeit vertieft waren. Dann verschmolz sie mit dem Schatten der Wand und schlüpfte in Colins Büro.
    Der Unschuldstrinker hatte seine Augen überall, ein ganzes Heer von Spitzeln. Er durfte auf keinen Fall von ihrem Gespräch mit Colin erfahren.
    Maylis zog rasch die Tür hinter sich zu. Sie war sicher, dass sie niemand gesehen hatte.
    Colin war nicht da.
    So ein Pech! Typisch!
    Dabei hatte sie sich noch am selben Morgen informiert, und man hatte ihr gesagt, dass Colin den ganzen Tag in seinem Büro arbeiten würde.
    Er kommt sicher gleich! Dann warte ich halt ein wenig …
    Ungeniert pflanzte sich Maylis auf Colins Holzsessel.
    Der Pan hatte ein schönes Büro. Überall lagen Dokumente herum, vor allem Landkarten. Einige stammten noch aus der alten Welt, andere hatten Pans und Große per Hand gezeichnet, um die neue Welt zu kartographieren. Die Hauptstraßen und die Wege, die von den Boten benutzt wurden, waren in gepunkteten Linien eingezeichnet.
    Maylis studierte eine der Übersichtskarten genauer und folgten den Wegen gedankenverloren mit dem Blick.
    Das war ihre Art, in der neuen Welt Nachrichten auszutauschen, sozusagen das neue Internet: Reiter, die zwischen den Bauernhöfen, Forts, Dörfern und Städten hin- und herreisten. Pans und Große. Die gepunkteten Linien woben ein Netz, eine Verbindung zwischen den Überlebenden des Sturms.
    Wäre diese Verbindung gekappt, dachte Maylis, wären wir schrecklich einsam. Isoliert. Auf uns allein gestellt.

    Wer die Straßen und Wege kontrollierte, kontrollierte den Austausch von Nachrichten. Und damit die ganze Welt.
    Maylis setzte sich kerzengerade auf.
    Noch nie zuvor war ihr aufgefallen, wie bedeutend dieser Punkt war.
    Deshalb hat der Unschuldstrinker so sehr darauf bestanden, dass die Poststelle nach seinem Willen organisiert wird! Deshalb hat er bei nichts nachgegeben!
    Maylis dachte an die Schwerter, die in der Kloake lagerten. Wenn er tatsächlich einen Staatsstreich vorhatte, brauchte er nicht nur Waffen, sondern auch einen Angriffsplan. Und der beinhaltete vermutlich, alle Kommunikationswege zu kappen. Da die Fanatiker, die er hinter sich scharen konnte, nicht zahlreich genug waren, um die Armee von König Balthazar zu besiegen, musste er verhindern, dass die Truppen zusammengezogen wurden. Mit einzelnen Soldatentrupps, die voneinander abgeschnitten waren, würde der Unschuldstrinker hingegen leichtes Spiel haben.
    Bis Balthazar erführe, was los war, stünde der Unschuldstrinker vor den Toren Babylons.
    Aber wie will er die Pans bezwingen? Er kann nicht an zwei verschiedenen Fronten gleichzeitig kämpfen.
    Zweifellos hatte er auch für dieses Problem längst eine Lösung.
    Maylis musterte die Karten, die sich auf dem Schreibtisch stapelten und sogar auf dem Boden herumlagen.
    Plötzlich durchfuhr es sie eiskalt.
    Wer die Kommunikationswege kontrollieren wollte, musste den Postchef kontrollieren.
    Colin!
    Sie schüttelte den Kopf.
    Nein, nicht Colin! Nicht schon wieder!
    Aus dem großen Raum nebenan war hektisches Treiben zu hören. Leute eilten hin und her, Schubladen quietschten, und Schranktüren wurden auf- und zugemacht. Colin konnte jeden Augenblick zurückkommen.
    Ihr Blick fiel auf die Schreibtischschubladen direkt vor ihrer Nase.
    Es war verlockend.
    Sie warf einen raschen Blick zur Tür.
    Eine Minute oder zwei werde ich schon haben …
    Sie kniete sich hin, zog die Schubladen auf und durchsuchte sie rasch. Die vier auf der rechten Seite enthielten nichts als Papier, Umschläge, etwas Wachs und ein Feuerzeug. Die oberste auf der linken ließ sich nicht öffnen.
    Abgeschlossen.
    Verflixt!
    Maylis sah sich das Schloss an. Nicht sehr ausgefeilt, aber um es aufzukriegen, brauchte man eine Büroklammer und etwas Geschick. Außerdem hatte Maylis noch nie ein Schloss geknackt!
    Colin darf nicht merken, dass ich hier gewesen bin. Ach, egal!
    Die Neugier war stärker. Sie packte einen Brieföffner, nutzte die Klinge als Hebel und brach die Schublade auf.
    Als sie das abgebrochene Stück Holz zu ihren Füßen liegen sah, packte sie die Furcht.
    Was habe ich getan? Er wird wissen, dass ich in seinen Sachen gewühlt habe!
    Oder auch nicht. Colin war ziemlich zerstreut. Vielleicht sogar etwas einfältig.
    Ich bin diejenige, die einfältig ist! Natürlich wird er merken, dass sich jemand an seiner geheimen Schublade zu schaffen gemacht hat!
    Sie zog die Schublade auf, um den

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