Alterra - Der Krieg der Kinder: Roman (German Edition)
Beeren und Wild in Hülle und Fülle gibt. Die meisten unserer Vorräte stammen von dort. Dieses Tal hier war der ideale Ort für eine Stadt: rundum Felder, wo wir Ackerbau betreiben können, Früchte und Fleisch aus dem nahe gelegenen Wald und ein fischreicher Fluss.«
»Birgt dieser Wald keine Gefahren?«, fragte Matt.
»Nicht mehr als anderswo. Immerhin treiben sich dort keine Mampfer herum, das ist schon mal was! Allerdings ist der Wald sehr, sehr groß.«
Ambre und Matt warfen sich einen Blick zu. Wonach mochte Plusch wohl Ausschau halten?
»Und … gibt es viele Mampfer in der Gegend?«, fragte Ambre.
»Immer weniger. Bis vor kurzem waren sie eigentlich unsere größte Sorge, wenn wir auf Wanderschaft gegangen sind, aber inzwischen begegnen uns kaum noch welche. Seit etwa zwei Monaten, würde ich sagen.«
»Sie können in dieser neuen Welt nicht überleben«, meinte Matt. »Sie sind nicht intelligent genug. Offenbar haben sie es nicht geschafft, sich anzupassen und zu organisieren. Ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Letzten von ihnen verschwinden.«
Ambre senkte den Kopf. Mit jedem Mampfer starb ein Wesen, das früher einmal ein Mensch gewesen war. Die Mütter und Väter der Pans.
»Ich frage mich, wieso manche Erwachsene Zyniks geworden sind und andere Mampfer«, überlegte sie laut.
»Nicht zu vergessen, dass manche sich ganz in Luft aufgelöst haben!«, fügte Matt hinzu.
»Angeblich sind die Zyniks überzeugt, dass die Mampfer die Nachkommen jener Menschen sind, die vor dem Sturm besonders lasterhaft, geizig, lüstern oder faul waren.«
»Und wer sich in Luft aufgelöst hat, der glaubte nicht an Gott?«, vermutete Ambre und schauderte bei dem Gedanken an den fanatischen Wahn der Zyniks.
»Genau!«
»So ein Blödsinn«, sagte Matt. »Was meinst du dazu, Ambre, du hast ja immer eine Theorie parat?«
Ambre wirkte verlegen.
»Nein. Ich frage mich, ob es nicht einfach Zufall ist …«
»Alles, bloß das nicht!«
»Warum? Weil man Zufälle nicht beeinflussen kann?«
Matt zuckte die Achseln.
»Keine Ahnung. Ich mag Zufälle einfach nicht.«
Er schob sich den letzten Bissen in den Mund und ging unter dem Vorwand, nach Plusch sehen zu wollen, schnell nach draußen.
»Ist alles okay mit ihm?«, fragte Ben.
»Das mit Tobias trifft ihn schwer. Und wahrscheinlich zerbricht er sich noch immer den Kopf darüber, was aus seinen Eltern geworden ist.«
»Wie wir alle.«
»Ich nicht. Mir fehlen sie überhaupt nicht.«
Jetzt, wo die Zeit vor dem Sturm immer weiter in die Ferne rückte, wurde Ambre klar, wie böse sie wirklich auf ihre Mutter gewesen war. Weil sie sich mit ihrem elenden Leben zufriedengegeben hatte. Weil sie es nie fertiggebracht hatte, den gewalttätigen, alkoholabhängigen Drecksack, mit dem sie zusammenlebte, zum Teufel zu schicken. Weil sie nie auch nur ein Wort über Ambres leiblichen Vater verloren hatte.
Ambre wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Floyd hereinkam und ihr gegenüber Platz nahm.
»Heute ist es so weit«, verkündete er aufgeregt.
»Heute teilt der Rat den Einwohnern von Eden mit, was wir wissen«, erklärte Ben. »Dann ist es mit der Fröhlichkeit ein für alle Mal vorbei, und die Hoffnung, die diese Stadt in den letzten Monaten zum Erblühen gebracht hat, wird der Angst weichen.«
»Das wird ein langer Tag«, seufzte Ambre.
»Ich kann’s kaum erwarten, endlich mit den Vorbereitungen zu beginnen«, erwiderte Floyd. »Ich hab echt keine Lust mehr, ständig vor den Zyniks den Schwanz einzuziehen. Jetzt wird abgerechnet!«
Ambre starrte den Weitwanderer mit vor Wut blitzenden Augen an.
»Hier werden Kinder in den Krieg geschickt! Gegen kaltblütige Erwachsene, die viel stärker und besser ausgerüstet sind!«
»Wir haben Eden mit eigenen Händen erbaut. Die Stadt nimmt uns keiner mehr weg!«
»Das ist keine Schlacht zur Verteidigung von Besitztümern, sondern ein Kampf um unsere Freiheit.«
»Und dieser Kampf beginnt hier, zwischen den Mauern des Verlorenen Paradieses.«
Ambre fragte sich, ob die Pans aus Eden wirklich begriffen, was ihnen bevorstand.
Ein blutiger Krieg, den nur wenige überleben würden.
Eine barbarische Auseinandersetzung.
Angetrieben von den primitivsten Instinkten der Menschen.
Matt suchte die weiten Felder vor dem Südtor mit dem Blick ab.
Plusch war weit und breit nicht zu sehen. Vielleicht war sie in der Nacht in die Stadt zurückgekehrt.
Nein, dann hätte ich sie im Haus der Gesandten gesehen, sie kennt
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