ALTERRA: Die Gemeinschaft der Drei (PAN) (German Edition)
ausgestorben da. Sie setzten sich auf die Stufen vor dem Rathaus, um aus ihren Feldflaschen zu trinken und ihre Rücken zu entlasten.
»Hast du bemerkt, dass man keine Vögel mehr hört? Nicht einmal tagsüber!«, meinte Tobias.
Matt spitzte die Ohren.
»Stimmt. Kein Zwitschern, kein Flattern.«
Matt zerbrach sich den Kopf über die drückende Stille. Hatten die Blitze alle Lebewesen ausgemerzt, oder gab es eine andere Erklärung? Er fühlte sich unbehaglich, der Nebel machte ihm Angst. Sie sahen nie mehr als ein paar Meter weit und konnten nur hilflos vorwärtstappen. Das schwache Glimmen ihres Leuchtstabs in dieser dicken Suppe verstärkte noch das Gefühl, dem Ungewissen ausgeliefert zu sein. Er blickte sich um. Es war nicht einmal zu erkennen, wo die Vegetation endete, die sie umgab.
Plötzlich packte Tobias ihn hart am Arm.
»Au! Was sollte das denn?«, protestierte Matt.
Mit offenem Mund zeigte Tobias auf die Straße vor ihnen.
Aus dem Nebel tauchte ein schwarzer Tausendfüßler auf, hoch wie eine Katze und so lang wie ein Bus. Wie die Glieder einer endlosen Kette wogten seine Beine auf und ab, während seine dünnen Fühler den Weg abtasteten.
Matt packte den Griff seines Schwerts, der hinter seinem Rücken ragte. Das Rieseninsekt schien sie nicht zu bemerken, trappelte lautlos vorüber und verschwand so schnell, wie es gekommen war.
»Ich … ich will, dass das aufhört«, murmelte Tobias matt.
Matt ließ seine Waffe los und stand auf.
»Nur Mut«, sagte er leise. »Wir dürfen den Kopf nicht hängen lassen. Komm, wir gehen jetzt besser.«
»Aber wo sollen wir denn hin?«, schrie Tobias.
In seiner Stimme lag ein Anflug von Panik.
»In den Süden. Vielleicht finden wir etwas, das uns hilft«, erwiderte Matt.
»Woher willst du das wissen?«
Matt zuckte mit den Achseln.
»Hab ich doch schon gesagt. Wenn die Stelzenläufer befürchten, dass ich nach Süden gegangen sein könnte, muss es einen Grund dafür geben. Wir müssen dahin, das spüre ich.«
»Ist das wieder mal so ein blöder Instinkt?«
Matt blickte in die geröteten Augen seines Freundes.
»Ja«, sagte er. »Wir müssen in den Süden gehen, da bin ich mir sicher. Weißt du noch, wie wir uns einmal in den Catskill Mountains verirrt haben und ich zurück ins Zeltlager gefunden habe? Und als wir zum Spielen in diesem Park bei Richmondtown waren, habe ich doch vorher geahnt, dass wir nicht hingehen sollten, und prompt haben uns diese drei Vollidioten verprügelt! Mein Bauchgefühl war immer richtig. Vertrau mir. Wir müssen in den Süden.«
Tobias stand ächzend auf.
»Hoffentlich täuschst du dich diesmal nicht«, brummte er, während er sich den Rucksack und den Bogen auf den Rücken schnallte.
Sie liefen die Hauptstraße entlang, bis sie in die Vororte kamen. Einmal verließ Tobias kurz den Weg, um eine Milchflasche zu holen, die vor einem kleinen Holzhaus auf dem Treppenabsatz stand. Er war so glücklich über seinen Fund, dass er darüber sogar den beklemmenden Nebel vergaß.
»Solche Glasflaschen habe ich schon ewig nicht mehr gesehen! Wer lässt sich denn heutzutage noch Milch liefern?«
»Du bist halt ein Stadtkind«, sagte Matt spöttisch, obwohl ihm nicht nach Witzen zumute war.
Die Milchflasche vor der Tür erinnerte ihn vor allem daran, dass sämtliche Einwohner der Gegend, vielleicht sogar des ganzen Landes, spurlos verschwunden waren.
Nachdem sie eine Stunde marschiert waren, machte die Straße eine Biegung nach Osten. Das gefiel Matt zwar ganz und gar nicht, aber er wollte auf keinen Fall quer durchs Gelände laufen. Außer der dichten Ausläufer der Pflanzendecke, die auch hier alles überwucherte, konnte er am Straßenrand nichts erkennen. Kein Baum, kein üppiges Grün, nur ein endloser Teppich aus Lianen und Efeu und ein Meer von Farnen. Obwohl sie auf ein Bahngleis stießen, das von der Vegetation mehr oder minder verschont geblieben war und in die richtige Richtung führte, hielt sich Matt lieber an die Straße. Sie hatte etwas Beruhigendes, sie war die Ader, die die Organe der untergegangenen Zivilisation miteinander verbunden hatte: die Städte. Es war sicher besser, sich nicht allzu weit von ihnen zu entfernen, denn auf freiem Feld gab es weniger Sicherheit und weniger Verstecke.
Einen Kilometer weiter, als die ersten Schilder die nächste Stadt ankündigten, gingen sie plötzlich langsamer. Vor ihnen im Nebel röchelte und knurrte es. Der Leuchtstab begann schwächer zu glimmen, und Matt schleuderte ihn
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