ALTERRA: Die Gemeinschaft der Drei (PAN) (German Edition)
gebrauchen.«
Tobias musste lachen.
»Du redest wie ein Lehrer!«
Matt wollte schon protestieren, da wurde ihm klar, dass Tobias recht hatte. Er hatte von Anfang an das Kommando übernommen, und deswegen trat er manchmal fast autoritär auf. Aber die Stärke war nur gespielt. Tobias war so verzagt gewesen, dass er zum Ausgleich umso entschlossener sein musste. Seit er die Expedition anführte, durfte er nicht mehr der ängstliche Junge sein, der eigentlich in ihm steckte. Das ist doch alles Quatsch! Ich mach mir vor Schiss in die Hose! Am liebsten würde ich heulen wie ein Kind! Aber er ahnte, dass er das nicht tun würde, nicht jetzt. Er musste stark sein und Tobias und sich in den Süden bringen. Das war ihre einzige Hoffnung.
Trotzdem spukte ihm eine Frage im Kopf herum, die seinen Vorsatz ins Wanken brachte. Warum er? Warum verfolgten die Stelzenläufer gerade ihn? Warum nicht Tobias? Und wer war dieser »ER«, in dessen Auftrag sie ihn jagten?
Grüble nicht so viel nach, schlaf lieber, ermahnte er sich, um die Zweifel zu verscheuchen. Irgendetwas sagte ihm, dass er früher oder später noch von diesem »ER« hören würde. Die Stelzenläufer würden ihn nicht vergessen. Es sei denn, wir schaffen es in den Süden, bevor sie uns finden … Seine Gedanken verschwammen, alles drehte sich. Er musste jetzt einfach abschalten und schlafen. Und das taten sie auch, nachdem sie sich noch einmal vergewissert hatten, dass die Farnwedel sie gut abschirmten.
Beide träumten sie von einer normalen Welt. Einer Welt mit Schultagen, mit Lehrern, die sie nicht ausstehen konnten, und anderen, bei denen der Unterricht Spaß machte. Einer Welt mit Mahlzeiten im Kreis der Familie …
Matt schlug die Augen auf.
Er war nicht zu Hause unter seiner schützenden Decke.
Es war noch stockfinster, die Bäume ließen nicht einmal das Mondlicht durch. Ihm war kalt. Die Feuchtigkeit war in seinen Schlafsack gekrochen, der Rücken tat ihm weh, und er hatte überall Muskelkater. Dieses Abenteuer war eindeutig unbequemer, als er es sich bei ihren Rollenspielen immer ausgemalt hatte.
Um sie herum zirpten die Grillen. Zwei Eulen unterhielten sich mit geheimnisvollen Rufen. Hu-hu, hu-hu … Zu seinem Bedauern wuchsen in dieser Gegend keine Leuchtpilze. Plötzlich zerriss ein Schrei die Nacht, so grell und durchdringend, wie Matt es noch nie gehört hatte. Der Schrei schwoll an und hing mehrere Sekunden lang in der Luft, ehe er verstummte. Es klang wie ein Klageruf, der in das höhnische, kreischende Gelächter einer Hyäne überging. Einer riesigen, bösartigen Hyäne.
Tobias fuhr hoch.
»Was … Was war das?«, stotterte er.
»Keine Ahnung … Das hat mich eben gerade geweckt.«
Matt hatte bereits sein Schwert gepackt, zog es aber noch nicht aus der Scheide.
Ganz in der Nähe knarrte ein Baum. Dann begannen die Farne laut zu rascheln.
»Da!«, schrie Tobias und zeigte auf einen dicken Ast, der immer noch hin und her schwang. »Scheiße, das muss etwas Riesiges gewesen sein.«
Er riss den Bogen an sich und tastete nach seinem Köcher. Ängstlich spähte er in das Laub, während er sich aufrappelte und einen Pfeil auf die Sehne legte.
Matt stöhnte leise auf und schlich auf Zehenspitzen zu Tobias.
»Ich sehe es! Es sitzt da oben … In der Gabelung, wo der Stamm sich teilt!«
Tobias hob den Kopf und erstarrte. Eine seltsame Gestalt belauerte sie, groß wie ein Mensch.
»Siehst du es?«
»J-ja. Ich … Ich hab Angst, Matt.«
Auch Matt war vor Entsetzen wie gelähmt. Statt Hände und Füße hatte die Kreatur lange scharfe Krallen. Und auf einmal neigte sie sich vor, um die beiden Jungen besser zu sehen.
Matt erschauderte.
Der Kopf des Monsters ähnelte einem mit weißer Haut überzogenen fleischlosen Schädel. Die hochgezogenen Lefzen entblößten riesige spitze Hauer. Ein klaffendes Maul voller Reißzähne, aus dem zäher Speichel tropfte. Seine Augen funkelten wachsam.
Eine Ausgeburt der Hölle. Ein fleischfressender Jäger, der seine Beute zerfetzte.
Und in diesem Moment zum Sprung ansetzte.
Matt packte den Knauf seines Schwerts mit beiden Händen und zog die Klinge blank. Die Waffe war bleischwer, doch er blieb tapfer stehen. Lange würde er das nicht durchhalten. Er kämpfte mit sich, um nicht schreiend davonzulaufen.
Aus den Augenwinkeln sah er die Spitze eines Pfeils. Tobias zielte auf die Bestie, aber das dreieckige Metallstück zitterte so heftig, dass er sie wahrscheinlich nicht einmal treffen würde, wenn
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