ALTERRA: Die Gemeinschaft der Drei (PAN) (German Edition)
richtig zu spüren, denn ihm selbst war nicht kalt, er fühlte eigentlich gar nichts, aber die Kälte war dennoch da, sie umwob sein Herz und tanzte wie ein mächtiger Wind, der ihn mit sich reißen wollte. Eine Kälte, die aus dem Nichts kam, von weit, weit weg, und die ihn über einem Abgrund aus Finsternis baumeln ließ.
Matt wartete lange. Sehr lange. Hier verstrich die Zeit auf andere Weise. Sein Atem erinnerte ihn nicht mehr daran, dass er lebte, sein Herz schlug nicht länger im Takt der vergehenden Zeit, nein, es gab nur noch unendliche Geduld, und nichts geschah. Absolut nichts.
Und doch war Matt voll und ganz anwesend, nicht körperlich, aber in Gedanken. Nur sein Gedächtnis hatte er verloren. Er konnte sich an nichts Konkretes erinnern, Dinge wie Familie oder Freunde sagten ihm nichts mehr. Im Grunde blieb ihm nichts als sein innerstes Wesen. Matt wusste nun, dass Sterben bedeutete, in die tiefste Schicht des Bewusstseins zurückzukehren und für immer in der Leere zu schweben. Matt war Matt, und das war alles.
Das war zu viel für ihn. Am liebsten hätte er nichts gewusst, wäre nichts mehr gewesen, denn es war unerträglich, einfach so zu warten, ohne Empfindungen, ohne jede Hoffnung auf ein Ende. Ein Juckreiz. Das war die richtige Umschreibung für dieses Warten. Ein unerbittlicher Juckreiz, von dem man nicht weiß, woher er kommt, und der sich nicht lindern lässt.
Plötzlich vernahm er Stimmen.
Oder vielmehr ein Gemurmel.
Es klang fern und nah zugleich. Fern, denn es schien ganz aus der Tiefe jener Leere zu kommen; und nah, weil Matt es im Innern seiner Seele hörte.
Die Stimmen sagten alle dasselbe. Wie ein unendliches Echo wiederholten sie unentwegt ein und denselben Satz, bis sie zu einem wilden Getöse anschwollen. Und dennoch verstand Matt sie klar und deutlich.
Komm zu mir.
Der Ton änderte sich, die Stimmen begannen sanft zu säuseln.
Zusammen sind wir zu allem fähig. Zusammen gehört uns die Welt.
Komm zu mir.
Matt spürte, dass sich jemand in der Finsternis befand. Jemand sehr Mächtiges. Ganz nah. Und je näher er kam, desto stärker wurde der Juckreiz in ihm. Seine Seele geriet in Aufruhr. Seine Wahrnehmung veränderte sich, seine Seele zitterte . Das Wesen war nun über ihm. Es füllte alles aus. Matt wusste, dass er nichts tun konnte. Es strahlte eine solche Übermacht aus, dass er fast glaubte, es mit dem Teufel höchstpersönlich zu tun zu haben. Doch gleichzeitig spürte er, dass das nicht sein konnte. Das war nicht der Teufel, sondern etwas noch Abgründigeres, noch viel Älteres.
Etwas noch Unheimlicheres.
Da ertönte plötzlich eine donnernde Stimme:
Ich bin der Torvaderon, Matt. Komm zu mir.
ZWEITER TEIL
Die Insel der Pans
15. Ein seltsames Koma
Z uerst tat Matt der Bauch weh. Dann der Hals und schließlich der Kopf. Furchtbare Kopfschmerzen im Wechsel mit Tiefschlafphasen, in denen er von gruseligen Gestalten träumte. Er begann zu frieren. Kurz darauf wurde ihm heiß. So heiß, dass er Halluzinationen bekam. In den kurzen Augenblicken, in denen er halbwegs bei Bewusstsein war, erblickte er das Licht der Sonne. Dann spürte er den Regen. Und die Nacht.
Wölfe – oder vielleicht wilde Hunde – heulten in der Ferne.
Mühsam entschlüsselte Matt die Signale, die er empfing. Sein Körper … sein Körper schmerzte. Und die Stimmen kehrten wieder, anders diesmal. Matt begriff, dass es nicht die gleichen waren. Diesmal kamen die Stimmen aus dem Licht. Sie waren wärmer, freundlicher.
Man redete über ihn.
Er schlief wieder ein.
Für lange Zeit.
Manchmal hatte er das Gefühl, die Augen geöffnet zu haben, aber er konnte sich nur verschwommen an eine sanfte Helligkeit, an eine wohlige, weiche Ruhe erinnern. Und an Durst und Hunger.
Er schlief viel.
Nach und nach verließen ihn all seine Kräfte. Seine Muskeln erschlafften und begannen zu schrumpfen.
Sonne und Mond wechselten sich ab. Zu Beginn schien jedes Mal, wenn er die Augen aufschlug, ein anderes Gestirn am Himmel zu stehen. Tage und Nächte folgten aufeinander wie Sekunden. Dann wie Minuten.
Bald trieb er in einem Strom flüchtiger Erinnerungen dahin: ein angenehmer Lichtschimmer, Wasser in seiner Kehle, hin und wieder etwas Festes zwischen den Zähnen. Manchmal wanderte er im Schlaf in einen nahe gelegenen Raum, wo er einen unendlich tiefen Brunnen vorfand, in dem er sich zu verlieren glaubte. Er bewegte sich wie ein Roboter, irgendetwas steuerte ihn. Danach ging es wieder zurück in das weiße,
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