Alterra. Im Reich der Königin
ihnen wollte in der Nähe einer solchen Gefahr schlafen. Schließlich schlugen sie in einer von einer Baumwurzel geformten natürlichen Grotte ihr Lager auf. Auf der dicken Moosschicht, die den Boden bedeckte, hatten sie es eigentlich recht bequem.
Auch diesmal nahmen sie nur eine kalte Mahlzeit zu sich. Matt verspürte einen Stich im Herzen, als er Plusch zur Jagd aufbrechen sah. Sie tapste ängstlich davon. Am liebsten hätte er sie zurückgerufen und ihr etwas von seinem Essen abgegeben, aber er ließ es sein. Sie war groß genug, um allein zurechtzukommen, sie würde sehr vorsichtig sein, und kalte Bohnen fraß sie vermutlich sowieso nicht. Abgesehen davon mussten sie sich ihre Vorräte gut einteilen. Nicht auszudenken, wenn ihnen mitten im Wald auf einmal die Lebensmittel ausgingen!
Matt blieb wach, bis Plusch zurückkam. Erst als sie sich an ihn schmiegte, konnte er die Augen schließen.
Beim Einschlafen dachte er an den Torvaderon. Was, wenn er auch heute Nacht wieder in seine Gedanken eindrang? Er war nicht weit weg, alles war möglich.
Zur Beruhigung versuchte Matt sich einzureden, dass er die Gelegenheit ja nutzen könnte, um den Torvaderon weiter auszuforschen, wenn er noch einmal die Tür offen lassen sollte … Aber allein die Vorstellung jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Er wollte lieber nicht erleben, was dieses Wesen in sich barg. Matt hatte eine Ahnung von der Trostlosigkeit jener Gefilde bekommen, in denen die Seele des Torvaderon umherirrte; er hatte das Unbehagen, die Trauer, die Wut und die Ängste gespürt, die darin herrschten, und war heilfroh, dass keines dieser Gefühle auf ihn übergegangen war. Denn jetzt, wo er daran dachte, schien ihm all das im Innern des Torvaderon zu leben wie eine Meute, die ihre Beute sucht.
Vielleicht könnte er ungestört schlafen, wenn er dem Torvaderon bewusst seinen Geist verschloss, indem er sich verbot zu träumen oder indem …
Matt war eingeschlafen.
Die schwarze Gestalt flatterte im Wind und im Nebel. Sie wirbelte um Matt herum und suchte verzweifelt einen Spalt, durch den sie in ihn eindringen konnte. Obwohl er reglos dalag, bemerkte Matt das Böse in seiner Nähe. Sein Schlaf glich einer Festung mit einigen Fenstern und einer Tür, die er unablässig überwachen musste, um zu verhindern, dass jemand hereinkam. Der Torvaderon drehte sich immer schneller, warf sich gegen jede Fensterscheibe, rüttelte an der Tür. Noch gaben sie nicht nach. Noch.
Matt lief von Raum zu Raum.
Wenn einer der Zugänge barst, musste er rasch reagieren. Der Wandschrank war das letzte Versteck, das ihm dann noch blieb.
Die ganze Nacht über versuchte der Torvaderon einzudringen.
Matt hielt durch.
Tobias musste ihn rütteln, um ihn aufzuwecken.
»Ambre und ich sind schon lange wach, es muss schon ziemlich spät sein«, warnte er. »Wir haben dich schlafen lassen, aber jetzt wird’s langsam Zeit.«
»Okay …«, meinte Matt und reckte sich.
Er fühlte sich ausgelaugt. Unter einer erholsamen Nacht stellte er sich etwas anderes vor.
Ringsum herrschte völlige Finsternis. Matt fand es bedrückend, überhaupt kein Tageslicht mehr zu sehen.
»Hast du von
ihm
geträumt?«, wollte Tobias wissen.
»Ja. Er wollte in mich eindringen und … Gestern, als ich sehen konnte, was er war, ist irgendetwas passiert. Ich habe bestimmte Mechanismen verstanden, ich kann das nicht richtig erklären … Aber heute Nacht konnte er mich nicht … ausspionieren.«
»Deshalb schaust du also so fertig aus? Geht’s einigermaßen?«
»Wird schon gehen.«
Am zweiten Tag war der Marsch durch den Blinden Wald noch anstrengender. Die undurchdringliche Finsternis, die sie umgab, lastete schwer auf ihnen. Das Gelände wurde immer zerklüfteter, so dass sie häufig kehrtmachen und einen anderen Weg suchen mussten. Einen Baum zu umrunden, kostete sie jedes Mal eine gute Stunde.
Aus den Wipfeln drangen seltsame Rufe, sehr grell und laut, eine Art Brüllen, das plötzlich in Kreischen überging und gar nicht aufzuhören schien.
Da ertönte hinter ihnen ein Pfauenschrei. Das Laub begann so heftig zu rascheln, dass sich die drei Freunde zu Boden warfen und Plusch unter einen Strauch mit durchsichtigen Blüten kroch.
Etwas sauste knapp über ihre Köpfe hinweg.
Hastig steckte Tobias den Leuchtpilz in die Tasche, um sie nicht durch den Lichtschein zu verraten.
Das Rascheln wurde immer lauter, und plötzlich schien sich der gesamte Wald zu erheben. Hunderte kleiner Gestalten
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