Alterra. Im Reich der Königin
dunkelgrünes, endloses Meer. Die Wellen wirkten wie eingefroren, sie zitterten nur ganz leicht im Wind.
Sie trieben auf den Baumwipfeln dahin.
»Wisst ihr nichts über das Trockene Meer?«, fragte Clemantis.
»Nein, wir sehen es zum ersten Mal«, gestand Ambre.
»Es ist die Oberfläche eines mehr als einen Kilometer tiefen Waldes. Das Laubwerk ist so dicht, dass man an bestimmten Stellen darauf schwimmen kann. Wir müssen Gewichte verwenden, wenn wir für Unternehmungen in die Abgründe tauchen wollen.«
»So wie gestern, als ihr uns zu Hilfe gekommen seid?«
»Ja. Im Frachtraum des Mutterschiffs ist eine Falltür eingebaut, durch die wir einen an stabilen Seilen befestigten Lift hinablassen. In dieser kleinen Kabine aus Brettern transportieren wir unsere Botaniker so weit wie möglich in die Tiefe.«
»Eure Botaniker?«
»Nun, es gibt eine Reihe von essbaren Wurzeln, Heilpflanzen und anderen nützlichen Substanzen in den Tiefen des Trockenen Meeres.«
»Unglaublich!«, rief Ambre hochbegeistert.
»Erzählt uns von der Gegend, aus der ihr kommt.«
»Na ja, es ist eigentlich keine Gegend, es ist eher ein ganzes Land. Zumindest das, was davon noch übrig ist.«
»Das Trockene Meer bedeckt also nicht alles?«
»Nein, ich glaube sogar behaupten zu können, dass es nur einen Bruchteil des Landes ausmacht.«
»Sind die Überlebenden da unten alle in unserem Alter? Gibt es keine Erwachsenen mehr?«, fragte einer der Jungen, die etwas abseitsstanden.
»Äh … doch, es gibt noch Erwachsene«, erwiderte Ambre mit düsterer Miene.
Sie holte zu einem langen Bericht über das jetzige Leben der Pans, die Mampfer und die Zyniks aus. Danach ging sie zu ihrer eigenen Geschichte über, erzählte von der Carmichael-Insel und erklärte, dass sie in den Süden aufgebrochen waren, um herauszufinden, was die Zyniks ausheckten.
Ambre sprach mehr als eine Stunde lang ohne Unterbrechung.
»Wie kommt es, dass alle Erwachsenen so aggressiv geworden sind?«, wunderte sich Faellis. »Habt ihr versucht, mit ihnen zu sprechen und Frieden zu schließen?«
»Zwecklos«, entgegnete Tobias. »Das sind dumpfe Rohlinge, die nur darauf aus sind, uns in ihre riesigen, von Bären gezogenen Käfige zu sperren.«
»Wir wollen in Erfahrung bringen, was sie mit den entführten Pans machen«, präzisierte Ambre, »wie sie sich organisieren und wer ihre Königin ist.«
Und verstehen, warum diese Königin es ausgerechnet auf mich abgesehen hat!,
dachte Matt.
Vom Torvaderon ganz zu schweigen!
»Pan, das ist ein schöner Name«, bemerkte Clemantis. »Wir nennen uns das Volk Gaia.«
»Gaia?«, wiederholte Tobias. »Was bedeutet das?«
»Gaia ist ursprünglich eine griechische Gottheit, das Symbol der allmächtigen Erde und ihrer Seele. Sie hat den Sturm ausgelöst, um die Menschen für ihre Maßlosigkeit zu bestrafen. Sie hat uns verschont und verwandelt, damit wir sie besser verstehen und respektieren. Vorher waren wir alle …«
»Clemantis!«, unterbrach sie Orlandia.
Matt nahm eine Spannung zwischen den beiden Kapitäninnen wahr. Stattdessen ergriff Faellis nun das Wort.
»Wir sind der beste Beweis dafür: Das Chlorophyll hat unsere Zellen beeinflusst, wir haben uns der Natur angenähert und ein viel feineres Gespür für sie entwickelt. Zum Beispiel fühlen wir das Zittern eines Baums, und der Wind singt uns ein Lied, wenn wir innehalten und lauschen. Unser Leben hat sich vollkommen verändert.«
Matt stellte die Frage, die ihm schon seit einer Weile auf den Lippen brannte:
»Gestern habt ihr uns für die Mitglieder eines Stamms gehalten. Wer ist das?«
»Andere Kinder, Pans, wie ihr sie nennt. Sie haben auch den Sturm überlebt, aber sie sind nicht wie wir, sie ähneln euch. Gaia hat ihnen nicht ihren Segen erteilt. Sie leben über das ganze Trockene Meer verstreut und haben kleinere Stammesverbände gebildet, die immer wieder versuchen, uns zu überfallen.«
»Wollt ihr damit sagen, dass sie eure Feinde sind?«, fragte Ambre scharf.
»Ja, sie sind neidisch auf uns und auf alles, was wir seit dem Sturm geschaffen haben.«
Matt betrachtete die Vertreter des Gaia-Volkes, die ihnen gegenüberstanden. Wie war es möglich, dass sie sich alle zur selben Zeit auf dieselbe Weise verwandelt hatten? Warum hatten die anderen Pans des Blinden Waldes diese Veränderung nicht auch durchgemacht?
»Wisst ihr, was eure … was diese Verwandlung bewirkt hat?«, fragte er. »Woher kommt diese Aufnahmefähigkeit von Chlorophyll?«
»Das ist
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