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Alterra. Im Reich der Königin

Alterra. Im Reich der Königin

Titel: Alterra. Im Reich der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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verstummte abrupt, als von der Plattform der mittleren Eiche ein Horn erschallte.
    Tobias geriet kurz in Panik, weil er dachte, der Rote Tod sei wieder aufgetaucht. Erst als er sah, dass die Menschenmenge auf dem Kai gelassen blieb, beruhigte er sich.
    Die Chloropanphylliker traten ein paar Schritte zurück und bildeten ein Spalier in der Mitte des Kais.
    Zögernd löste sich eine Gestalt aus dem Schatten des gewaltigen Baums. Zwei Soldaten in Chitinrüstung zwangen sie mit der Spitze ihrer Lanzen zum Weitergehen. Der Junge tappte mit unsicheren Schritten den Kai entlang. Matt kam es so vor, als habe er vor irgendetwas Angst.
    Wovor nur? Denn er gehörte unzweifelhaft zu den Chloropanphyllikern, seine grünen Haare lieferten den Beweis.
    Plötzlich fiel Matt auf, dass sich tiefes Schweigen über die Stadt und das Schiff gelegt hatte. Alle Blicke waren auf den Unglücklichen gerichtet.
    Matt wandte sich zu Clemantis um und fragte:
    »Was ist los?«
    »Offenbar wird der Junge verbannt.«
    »Einer von euch?«
    »Ja, ich kenne ihn, er heißt Paleos.«
    »Was wird aus ihm, wenn ihr ihn verbannt?«
    »Er wird aus dem Großen Nest in die Abgründe des Trockenen Meeres gejagt und darf nie wieder zurückkehren.«
    »Aber … da stirbt er doch?«
    »Mit Sicherheit. Das ist die schlimmste Strafe, die es gibt. Man muss schon ein schweres Verbrechen oder Hochverrat begangen haben, um verbannt zu werden. Der Rat der Frauen verhängt dieses harte Urteil nur in sehr seltenen Fällen. Ich weiß wirklich nicht, womit Paleos sich die Höchststrafe verdient haben könnte.«
    Stumm starrte die Menge den Jungen an, der unsicher vorwärtsstolperte. Die Pans wichen vor ihm zurück, als wollten sie vermeiden, ihn zu berühren.
    Am Ende des Kais angelangt, drehte Paleos sich zu dem Großen Nest und seinen Bewohnern um. Er war hochgewachsen und sah gut aus, trotz der Angst, die jede Faser seines muskulösen Körpers durchströmte.
    »Ihr … ihr wisst genau, dass jeder von uns eines Tages an diesen Punkt kommen wird«, sagte er.
    »Der Rat der Frauen hat sein Urteil gesprochen, es ist unwiderruflich!«, erwiderte einer der Soldaten. »Geh jetzt.«
    Der andere Wächter hielt ihm einen Rucksack und ein langes Messer hin. Paleos nahm die Ausrüstung an sich und trat auf die erste Stufe einer schmalen Treppe, die vom Kai in ein Loch im Blätterwerk hinabführte.
    »Ich bin kein Verbrecher!«, schrie er.
    Dann verschwand er in den Wogen des Trockenen Meeres.
    Von da an wurde die Ausschiffung von betretenen Mienen begleitet; das Gelächter und die Schulterklopfer waren Seufzern und ernsten Blicken gewichen.
    Begleitet von der Gemeinschaft der Drei und einer kleinen Eskorte, stiegen die drei Kapitäninnen als Letzte vom Schiff. Die Chloropanphylliker erschraken, als sie die Unbekannten erblickten, und begannen nervös zu tuscheln.
    »Ihr werdet zum Rat der Frauen gebracht, der über euer Schicksal entscheiden wird«, erklärte Orlandia.
    »In eurer Gemeinschaft regieren die Mädchen?«, fragte Ambre.
    »Ja. Wir sind weiser und weniger impulsiv als die Jungen. Sie beraten uns und können Situationen gut analysieren, aber die Entscheidungen treffen wir.«
    »Und das nehmen die Jungen so hin?«
    »Auf diese Weise sind sie von jeglicher Verantwortung befreit, und sie sind ja trotzdem in den Entscheidungsprozess eingebunden. Niemand beklagt sich.«
    Am Fuß der größten Eiche erklommen sie einen Weg aus Brettern und Seilen, der sich wie eine Wendeltreppe um den Stamm wand.
    Während des Aufstiegs schlüpfte Tobias zwischen Ambre und Matt und fragte leise:
    »Was machen wir, wenn sie uns nicht bei sich behalten wollen?«
    »Wir müssen sie überzeugen, uns zu helfen«, erwiderte Ambre. »Schließlich haben wir ja gemerkt, dass der Blinde Wald viel zu groß und gefährlich ist, um ihn auf eigene Faust zu durchqueren. Wenn sie uns wieder nach unten schicken, dann sind wir …«
    »So gut wie tot?«, ergänzte Tobias, dem Ambres Offenheit Unbehagen bereitete. »Wenn ich es mir recht überlege, ist es mir lieber, wenn du die Wahrheit nicht so deutlich aussprichst!«
    »Wenn sie sich weigern, uns zu helfen«, sagte Matt, »dann sollen sie uns gefälligst unsere Waffen zurückgeben und ein paar Vorräte rausrücken. Wir kommen schon zurecht.«
    Ambre packte ihn beim Arm.
    »Matt, hör doch auf, früher oder später wird es uns erwischen, hast du gesehen, wie groß der Blinde Wald ist? Er ist wirklich so endlos wie ein Ozean! Wenn wir da wieder

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