Alterra. Im Reich der Königin
helfen.«
Matt deutete bescheiden an, dass er über ein wenig Erfahrung im Nahkampf verfüge, und Tobias behauptete, einen guten Orientierungssinn zu haben und sich in die Navigation der Segelschiffe einarbeiten zu wollen. Kurz darauf wurden sie ihren neuen Kameraden vorgestellt. Den Rest des Nachmittags lauschten und beobachteten sie aufmerksam, um schon am nächsten Tag einsatzbereit zu sein.
Am Abend trafen sie sich mit Ambre zum Abendessen, doch kaum hatten sie es sich in ihrem Häuschen gemütlich gemacht, gesellte sich Torshan zu ihnen.
»Heute Abend seid ihr zur Feier des Baumes geladen«, erinnerte er sie. »Darüber kann ich euch nichts erzählen, das muss man selbst erleben. Bis dahin erst mal guten Appetit!«
Die Nacht senkte sich rasch über das Trockene Meer, und Dutzende von silbernen Lichtern glitzerten in den Eichen des Großen Nestes.
Sobald sie aufgegessen hatten, reichte Torshan jedem von ihnen einen aus länglichen Blättern gewobenen dunkelbraunen Mantel, der einem Umhang glich, und führte sie nach draußen auf den Kai.
Von überall her strömten die Chloropanphylliker herbei und schlugen den Weg zum Bambuswald ein.
Nach Sonnenuntergang war es merklich kühler geworden, und Ambre hüllte sich eng in den Umhang, nachdem sie die Kapuze hochgeschlagen hatte. So fühlte sie sich gleich viel geborgener.
Die Bambusstauden rieben sich im Wind aneinander und erzeugten einen eigentümlichen, vom Rauschen der Blätter begleiteten Singsang.
Weich schimmernde Lampen erhellten den mit Rinde ausgelegten Weg. Schließlich gelangten sie zu einer Lichtung, auf der ein Amphitheater in das Holz der Riesenwurzel geschlagen war. Ganz unten, im Zentrum der Arena, drehte sich eine Lichtkugel von etwa drei Metern Durchmesser wie ein Planet um die eigene Achse.
»Oh, mein Gott!«, rief Ambre. »Was ist das?«
»Die Seele des Baums des Lebens«, antwortete Torshan.
Alle Chloropanphylliker nahmen im Amphitheater Platz, das alsbald voll war. Die Zeremonie konnte beginnen.
Ein langhaariger Junge näherte sich der Lichtkugel und streckte seine Hand nach ihr aus.
Torshan beugte sich zur Gemeinschaft der Drei und murmelte:
»Jedes Mal besitzt ein anderer das Privileg, den Kontakt herzustellen. Er wird die Seele wecken, so dass sie zu uns sprechen kann. Seht!«
Je näher die Hand des Jungen der Kugel kam, desto schneller drehte sich diese, bis ein leises, kristallklares Pfeifen ertönte. Als seine Finger das Licht berührten, strich ein aus dem Bambuswald aufkommender Wind über die Bänke des Amphitheaters, wirbelte durch die Haare der Zuschauer, zerrte an ihren Kleidern und zwang sie dazu, sich aneinanderzuklammern, um nicht fortgeweht zu werden.
In der Ferne erhob sich ein dumpfes Grollen, und kurz darauf fuhren auch schon Blitze aus dem nachtschwarzen Himmel herab. Aus dem Innern der Finsternis dröhnte der Donner.
Als hätte sich das Gewitter in Sekundenschnelle fortbewegt, schlugen auf einmal ein Dutzend Blitze rund um den Bambuswald ein.
Ambre zuckte zusammen, und Tobias drückte sich an sie.
Plötzlich hielt die Lichtkugel in ihrer Drehbewegung inne, und Dunststreifen rollten sich um den ausgestreckten Arm des Jungen, dessen Hand in dem grellen Licht verschwand. Ranken aus Rauch glitten unter seine Ärmel, stiegen aus dem Kragen wieder auf, tasteten sein Gesicht ab. Bald war das Kind nur noch eine Nebelgestalt, in der ein weißes Licht pochte.
Ambre spürte ein Kitzeln an ihren Unterarmen und einen Druck an ihrer linken Hüfte. Tobias klammerte sich an sie.
Da gab die Kugel ein lautes Zischen von sich, und eine Hitzewelle, die geradezu elektrisierend wirkte, lief über die Zuschauer hinweg. Vage erkannte Ambre eine Art blaues und rotes Blinken in der Mitte der Kugel, dann stieg ein grüner Strahl aus dem Dunst auf, und mit einem Mal roch es wie in einem Wald nach einem starken Sommerregen.
Ambre erkannte den Duft von Humus, würzigen Blättern, Minze und Basilikum – und über allem schwebte der Geruch von warmem Pflanzensaft.
Plötzlich schien ihr, als spräche die Leuchtkugel zu ihr, als erzählte sie ihr eine Geschichte, in der sich Sinne, Farben, Gerüche und Tastempfindungen mischten. Doch leider war der Kontakt so kurz, dass Ambre die Eindrücke, die auf sie einstürmten, nur flüchtig registrieren konnte.
Ein leicht berauschendes Wohlgefühl erfüllte sie.
Die Kugel saugte die Dunstwolke auf, die den Jungen umgab, und begann sich wieder zu drehen, während das Grollen am Himmel leiser
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