Alterra. Im Reich der Königin
sich ans Ruder.
Im selben Moment brachen ungeheure, rot leuchtende Tentakel durch die Wipfel und fegten bis zu zwanzig Meter hoch durch die Luft.
Alle an Bord hielten den Atem an und warteten ab, was die angeblich fürchterlichste Kreatur des Blinden Waldes tun würde. Das rote Blinken war so heftig, dass kein Zweifel darüber bestand, welche Absichten sie hegte: Sie war auf der Jagd. Die Tentakel peitschten durch die Bäume, dann hielten sie plötzlich inne, zogen sich zurück und erloschen.
Kurz darauf leuchtete das Licht umso heller auf, und der Rote Tod raste auf das Mutterschiff zu.
Im Mondlicht sah die Gemeinschaft der Drei, wie das große Schiff eine spektakuläre Kehrtwende beschrieb. Aus den Harpulitern hagelte eine erste Salve auf das Monster hinab. Ein paar Sekunden lang schien es, als habe der Rote Tod keinerlei Schaden davongetragen, dann wurde er auf einmal langsamer und blieb auf Abstand.
Doch die Atempause währte nicht lange. Das Wesen jagte auf das Heck des Mutterschiffs zu, es war so wütend, dass sein rotes Licht inzwischen dauerhaft leuchtete, als wäre es nur noch von dem unbändigen Wunsch erfüllt, seine Beute zu vernichten.
Die Harpuliter feuerten erneut eine Ladung ab, diesmal vom Achterdeck aus. Weniger Geschosse, weniger zielgenau. Der Rote Tod holte auf. Plötzlich stiegen Flammen vom Mutterschiff in den Himmel auf, aber nach kurzem Zögern stürmte der Jäger weiter voran.
Nach mehreren Minuten sah die Gemeinschaft der Drei nur noch die silbernen Schimmer des Mutterschiffs, den roten Krakenkörper unter dem Laubwerk und die Feuerstrahlen, die den Himmel von Zeit zu Zeit erhellten.
»Wenn sie wegen uns sterben müssen, verzeihe ich mir das nie«, verkündete Ambre.
»Ich glaube, dass sie es geschafft haben, ihn mit dem Feuer zu verscheuchen«, meinte Matt.
Bald darauf war jegliche Gefahr verschwunden, und die drei wechselten sich wie in der Nacht zuvor am Steuer ab.
Am nächsten Tag um die Mittagszeit stand Matt am Bug und betrachtete das Trockene Meer.
Wie lange würden sie noch segeln müssen?
Ein Aufschrei von Ambre riss ihn aus seinen Gedanken. Er rannte zum Heck. Sie zeigte auf das rote Licht, das sich aus dem Norden näherte.
»Schon wieder der Rote Tod, er hat uns gefunden!«, rief sie.
»Wir müssen unbedingt schneller fahren!«, rief Tobias panisch. »Werft alles über Bord, was wir entbehren können, und bindet alle verfügbaren Tücher zusammen, um zusätzliche Segel zu basteln!«
Ambre und Matt holten alle Möbel aus den Kajüten und warfen Hocker, Tische und leere Kisten über Bord. Dann sammelten sie hastig alle Tücher ein und nähten sie mit Fäden aus Ambres Erste-Hilfe-Kasten zusammen.
»Geschafft!«, seufzte sie nach einer Stunde Arbeit. »Das hält keinem Sturm stand, aber es ist besser als nichts.«
Mit Hilfe von Drachen vom selben Modell wie jene, an denen die anderen Segel befestigt waren, zogen sie ihr provisorisches Segel auf und gewannen mehrere Meter an Tragwerk.
Der Rote Tod kam immer näher; inzwischen war er nur noch etwa einen Kilometer entfernt.
Als er eine Stunde später weitere fünfhundert Meter aufgeholt hatte, sagte Matt zu seinen Freunden:
»Legt eure Waffen und Ausrüstung an, damit wir jederzeit von Bord gehen können. Gegen so ein Ungeheuer kommen wir nicht an. Falls es angreift, müssen wir in den Blinden Wald fliehen und hoffen, dass wir es dort abhängen.«
Zum ersten Mal seit einer Woche legte Matt wieder seine Weste aus Kevlar, sein Schwert und seinen großen Rucksack an. Ambre rannte unter Deck und kam mit dem Proviant zurück, den sie mit den vollen Trinkflaschen in ihre Rucksäcke stopfte.
Der Rote Tod war nur noch zweihundert Meter weg. Hinter ihm stob eine Wolke aus Blättern auf.
Es wurde immer deutlicher, dass er gezielt hinter ihnen herjagte. Trotzdem zögerte Matt noch. Wenn sie zu lange warteten, würde der Rote Tod über sie herfallen, doch wenn sie bei diesem Tempo von Bord sprangen, war die Verletzungsgefahr hoch.
Er beugte sich über die Reling. Das Laubwerk war dicht genug, um den Aufprall abzufedern.
»Seid ihr bereit?«, fragte er.
Ambre und Tobias nickten ohne Überzeugung.
Matt setzte einen Fuß über die Reling.
»Wir müssen alle gleichzeitig springen, sonst verlieren wir uns dort unten aus den Augen!«, warnte er.
Tobias packte ihn beim Arm.
»Schaut mal, da vorn!«, rief er in einem Ton, in dem sich Furcht und Ungläubigkeit mischten.
Das Trockene Meer hörte plötzlich auf. In weniger als
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