Alterra. Im Reich der Königin
Mauern klebt.«
»Wir ändern nichts an unserem Plan, außer dass du hier auf uns wartest«, erklärte Ambre.
Matt schüttelte entschieden den Kopf, aber Ambre hob drohend den Finger und sagte streng:
»Ihr habt mir versprochen, auf mich zu hören, also sage ich euch Folgendes: Wir können hier tatsächlich die Informationen sammeln, die wir suchen, und danach hoffentlich nach Hause zurückkehren. Tobias und ich gehen da jetzt rein, und du wirst unterdessen auf uns warten und versprechen, keine Dummheiten anzustellen!«
»Ich bin kein kleines Kind mehr«, erwiderte Matt verärgert. »Du brauchst mir nicht zu sagen, was ich zu tun habe.«
Tobias spürte die Spannung in der Luft und mischte sich lieber nicht in die Diskussion ein, die damit ohnehin beendet war. Sie warteten noch eine Stunde, bis die Laternen gelöscht wurden – mit Tierfett gefüllte Lampen, die einen rotgelben Schein verbreiteten – und die ersten Passanten erschienen: ein Mann, der eine müde Kuh vor sich hertrieb, und zwei Kerle mit hölzernen Schubkarren.
Ambre und Tobias zogen ihre Kapuzenmäntel an. Dann wandte sich Ambre noch einmal an Matt:
»Wir treffen uns dort, wo wir geschlafen haben, da ist es sicherer. Warte dort auf uns bis heute Abend. Wenn wir bis dahin nicht zurück sind, kannst du davon ausgehen, dass wir gefangen genommen worden sind oder sonst etwas Schlimmes passiert ist. Unternimm nichts wegen uns, zwei Verluste sind immer noch besser als drei.«
Ambre musterte ihn ein paar Sekunden lang, ohne dass Matt erkennen konnte, was sie dabei dachte. Dann trat sie hinaus in das helle Licht der ersten Sonnenstrahlen. Tobias hatte kaum Zeit, sich von seinem Freund zu verabschieden, so entschlossen marschierte sie davon.
Matt sah, wie ein Soldat sie misstrauisch beäugte, als sie sich dem Tor näherten. Er machte ein paar Schritte in ihre Richtung.
Da löste sich der Schulterriemen, mit dem er sich seine Axt umgehängt hatte, und der Stiel der Waffe plumpste ihm auf den Fuß. Er stieß einen wütenden Schmerzensschrei aus, bückte sich und achtete nicht weiter auf die beiden Neuankömmlinge, die schon unter dem Bogen durchgingen.
Das geht auf Ambres Konto, ganz sicher!,
frohlockte Matt.
Ambre und Tobias hatten die Stadt betreten.
Er sah sie in dem Straßenlabyrinth verschwinden.
21. Ein sonderbarer Laden
D ie schmalen Gassen waren von Ständen gesäumt, an denen Händler Früchte, Gegenstände aus Holz oder Leder und Kleidung feilboten. Der Markt belebte sich langsam, als die Sonne am Himmel höher stieg und die Laternen nach und nach erloschen. Der Duft gebratenen Fleisches und heißen Honigs schwebte in der Luft. Die Verkäufer waren so zeitig am Morgen noch in der Überzahl. Sie unterhielten sich laut von Stand zu Stand und lachten oder schimpften über alles Mögliche.
Ambre und Tobias bewegten sich vorsichtig durch das Gewirr aus Lauten und Gerüchen. Es war beruhigend, die Zyniks in einer so alltäglichen Umgebung zu sehen, ohne ihre Rüstungen aus Ebenholz und diese Besessenheit, die Pans zu fangen oder zu töten. Einen Augenblick lang glaubten sie beinahe, an einem ganz gewöhnlichen Markttag unter friedliebenden Erwachsenen umherzuschlendern, als wäre alles nur ein böser Traum gewesen.
Doch dann begegneten sie der ersten Frau seit dem Sturm, und der Anblick versetzte ihnen einen Schock: Sie führte ein kaum zehnjähriges Kind an einer Leine, oder vielmehr einer Stahlkette, die mit einem Lederarmband an ihrem Handgelenk befestigt war. Die Kette reichte unter das Hemd des Kindes, das sich ein wenig hob, als das Kind an ihnen vorüberging. Ambre und Tobias zuckten erschrocken zusammen.
Die Kette endete in einem schwarzen Ring, der sich in dem stark geschwollenen Bauchnabel in das Fleisch bohrte.
Machte das die Kinder so wehrlos?
Die Frau erledigte ihre Einkäufe. Alles, was sie erwarb, gab sie dem Kind zu tragen, das jedes Mal mechanisch die Hände danach ausstreckte.
»Wie ein kleiner Zombie«, flüsterte Tobias schaudernd.
»Komm, schnell weg hier, das ekelt mich an.«
Die Gassen füllten sich, und Ambre und Tobias fühlten sich inmitten der Menge immer sicherer. Nachdem sie mehrmals an Plakaten mit Matts Bild vorbeigekommen waren, hielt es Tobias irgendwann nicht mehr aus. Er trat zu einem Passanten und fragte mit möglichst tiefer Stimme:
»He! Weißt du, was die Königin von diesem Jungen will?«
Der Mann runzelte die Stirn und versuchte, in das von der Kapuze verhüllte Gesicht seines Gegenübers zu
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