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Alterra. Im Reich der Königin

Alterra. Im Reich der Königin

Titel: Alterra. Im Reich der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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Unschuldstrinker von seinem Thron, ging im Kreis um die beiden Jugendlichen herum und begutachtete sie wie Kühe auf einem Viehmarkt. Dann hob er Ambre unvermittelt hoch und setzte sie auf den Tisch.
    »Das gefällt mir schon besser«, feixte er.
    »Was?«, rief Ambre mit Panik in der Stimme. »Ich? Sie wollen mich zur Sklavin?«
    »Nein, natürlich nicht! Ich gehe nur Abmachungen ein, an die sich die Gegenseite auch halten wird, ich bin ja nicht dumm. Ich biete euch an, euch bei der Verfolgung eures Freundes zu helfen, und dafür bürgt ihr mir … unter Einsatz eurer Person.«
    »Was soll denn das heißen?«, schimpfte Tobias und baute sich drohend vor dem Unschuldstrinker auf.
    »Gemach, gemach, mein Junge«, sagte der Mann mit zuckersüßer Stimme, »du brauchst dich nur eine Weile in meinem Turm umzusehen. Colin wird dich herumführen, während deine Freundin und ich uns handelseinig werden.«
    »Ich lasse sie nicht allein.«
    Ambre wandte sich zu Tobias um. Sie schluckte mühsam, und ihre Hände zitterten.
    »Geh bitte, Toby«, sagte sie mit brüchiger Stimme.
    »Nein, kommt nicht in Frage!«
    »Wir haben keine Wahl.«
    »Aber du wirst doch nicht …«
    »Entweder das, oder Matt ist verloren«, fuhr sie ihn an. »Geh jetzt! Mach dir keine Sorgen, ich komme gleich nach.«
    Sie gab sich zwar abgebrüht, doch Tobias merkte ihr die Panik deutlich an.
    »Bitte, Toby«, flehte sie mit roten Augen.
    Tobias begriff, dass er den Augenblick nicht noch unerträglicher machen durfte, als er schon war.
    Sie saßen in der Falle. Es gab kein Zurück mehr.
    Er musste Ambres Entscheidung respektieren.
    Tobias schüttelte den Kopf, biss die Zähne zusammen, um nicht aufzuschluchzen, und folgte Colin zur Tür.

31. Fahrt in die Hölle
    N un wusste Tobias, was Relativität bedeutete.
    Jede Sekunde dauerte eine Stunde. Jedes noch so winzige Geräusch – das Quietschen eines Scharniers, ein Windstoß gegen das Fenster, das Knarzen eines Holzbalkens – ließ ihn für einen Augenblick hoffen, bevor wieder quälende Stille eintrat.
    Was ging dort oben vor sich, unter dem Dach dieses unseligen Turms, in dem aus Worten furchtbare Taten werden konnten?
    Musste Ambre leiden?
    Tobias hatte einen schrecklichen Verdacht, aber er zwang sich, nicht daran zu denken.
    Als Colin ihm Orangenlimonade anbot, schüttelte er nur abweisend den Kopf.
    »Ihr seid gar nicht hier, um die Pans zu verraten«, sagte Colin plötzlich. »Stimmt’s?«
    Tobias antwortete nicht. Er hielt das Warten kaum noch aus. Vor seinem inneren Auge sah er sich die Tür eintreten und seine Freundin aus den Fängen dieses abstoßenden Wichts befreien.
    Doch dann würden sie Matt verlieren.
    Wir sind also bereit, einen Teil unserer Unschuld zu opfern, um einen von uns zu retten? Geben wir so nicht ausgerechnet das auf, was uns noch Pans sein lässt?
    Würde Ambre danach anders sein? Würde sie sich nach und nach in eine Zynik verwandeln?
    Tobias verscheuchte diese schwarzen Gedanken. So etwas Grässliches wollte er sich lieber gar nicht vorstellen.
    Da wurde die große Tür zum Audienzzimmer aufgeschlossen; das Klicken war bis in das Stockwerk zu hören, in dem Tobias wartete. Er rannte die Treppe hoch.
    Ambre stand auf der Schwelle, die Arme über der Brust verschränkt, als müsste sie sich vor irgendetwas schützen. Ihr Gesicht war vollkommen leer. Es drückte weder Schmerz noch Erleichterung aus.
    In der Hoffnung, sich in seinen Befürchtungen geirrt zu haben, sah Tobias Ambre in die Augen, doch sie wich seinem Blick aus.
    Tobias’ Herz zog sich zusammen, es wurde ganz klein in seiner Brust und umgab sich mit einer winzigen harten Schale.
    Er fühlte sich sofort besser. Weniger verwundbar.
    Und Ambre kam ihm auf einmal fast fremd vor.
    Der Unschuldstrinker trat in bester Laune zu ihnen.
    »Ich werde euch helfen«, sagte er, »wenn wir Eriks Schiff einholen wollen, dürfen wir keine Zeit verlieren. Ich mache den Zeppelin startklar, Colin wird sich um euch kümmern.«
    Daraufhin verschwand er in einem zweiten, kleineren Turm.
    Tobias wollte Ambre tröstend die Hand auf die Schulter legen, doch sie schüttelte sie ab.
    »Wie geht es dir?«, fragte er. »Möchtest du darüber reden?«
    »Wir werden nicht darüber reden, wir werden nie auch nur ein einziges Wort darüber verlieren, du und ich. Wir tun einfach, als sei nichts passiert. Klar?«
    Tobias nickte leicht.
    Vielleicht hatte sie recht? Vielleicht war es wirklich besser, das Thema nicht mehr anzusprechen? Und

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