Altes Eisen - [Kriminalroman aus der Eifel]
entlang, der sich kaum sichtbar durchs Unterholz wand. Lorenz ging langsam voran. Nach einiger Zeit verlor sich die Spur im Unterholz. Lorenz blieb stehen und sah sich um. Rings um ihn herum nur Bäume und kein erkennbarer Weg. Er murmelte leise: »Kommissar Wollbrand war sich selten unsicher in der Orientierung. Doch nun musste er kurz nachdenken.« Wieder faltete er seine Wanderkarte auseinander.
»Haben wir uns verlaufen?«, fragte Bärbel.
»Ach wo«, knurrte Lorenz. »Die Richtung stimmt. Ich bin nur etwas müde. Und der Weg ist ziemlich zugewachsen. Früher war hier ein richtiger Pfad bis zu den Felsen runter. Aber ich weiß genau, wo wir sind.«
Mit diesen Worten ging er weiter. Der Waldboden war uneben und voller Totholz. Es ging bald recht steil bergab. Lorenz vermisste seinen Gehstock, den er beim Fahrradverleih zurückgelassen hatte. Wieder blieb er stehen und sah sich um.
»Und wir haben uns doch verlaufen«, sagte Bärbel.
»Ach«, grummelte Lorenz. »Dass die Frauen immer gleich von Verirren sprechen, nur wenn man sich mal kurz orientieren muss.«
»Wusste ich's doch!« Bärbel lachte hell auf, als sie Lorenz' zerknautschte Miene bemerkte. »Ist doch nicht schlimm!«
»Außerdem sehr schön hier«, ergänzte Gustav und wies auf die Sonnenstrahlen, die wie goldene Fächer schräg durch die Bäume einfielen.
»Hm«, machte Lorenz.
»Wie lange ist es denn her, dass du hier gewesen bist?«
Lorenz zuckte die Achseln. »Weiß nicht. Zehn Jahre vielleicht.«
Gustav sah ihn lächelnd an. »Warst du allein hier?«
»Nö, mit der Familie zum Wandern.«
»Wie alt war denn dein Sohn da?«
Lorenz kratzte sich den grauen Bürstenschnitt. »Keine Ahnung. So im Schulalter eben.«
Bärbel lachte wieder auf. »Dann ist das also höchstens vierzig Jahre her!«
Lorenz stutzte und nickte dann widerstrebend. »Kann schon sein.«
»Also, wo geht es nun lang?«
Gustav grübelte kurz: »Mal logisch gedacht, meine Lieben. Breidelsley und Jufferley liegen direkt oberhalb der Straße von Blens nach Hausen, also eher am unteren Bereich dieses Berghangs. Wenn wir also hier weiter abwärts steigen, werden wir schon ankommen. Und wenn wir auf die Straße treffen, haben wir die Felsen halt verpasst und sind zu tief geraten.«
»Sag ich doch«, stimmte Lorenz zu. »Einfach weiter hier runter.«
Sie gingen langsam und vorsichtig weiter, den einfachsten Weg durch das Unterholz suchend. Immer häufiger mischten sich Brocken rötlichen Gesteins in den Waldboden. Talseitig brach die breite Felswand, auf deren Kopf sie sich plötzlich wiederfanden, senkrecht ab. Die Bäume traten auseinander, und der Blick öffnete sich auf das Rurtal. Zu ihren Füßen wand sich die Rur von Abenden über Blens nach Hausen. In der Ferne, am gegenüberliegenden Rand des Talkessels, erhob sich der Odenbleuel, hinter dem Schmidt lag.
»Wir sind da«, meinte Lorenz erleichtert. »Ist tatsächlich sehr lange her, dass ich hier war. Ziemlich zugewachsen alles.«
»Aber es ist traumhaft schön hier«, sagte Bärbel und begann ihren Rucksack auszupacken.
Bald saßen sie schweigend nebeneinander, kauten an einigen Leckerbissen aus der Küche der Seniorenresidenz und genossen den Ausblick.
Nach einiger Zeit fragte Bärbel: »Wie kommt es eigentlich, dass wir hier so allein sind? Es ist doch so schön hier, und gerade bei diesem Wetter!«
Lorenz erwiderte kauend: »Erstens ist Freitag, und nicht alle haben dann auch frei, und zweitens ist der Zutritt hier glaub ich seit Jahren verboten. Naturschutz.«
»Oje, dann dürften wir gar nicht hier sitzen?«
Gustav winkte ab. »Wir haben Narrenfreiheit. Außerdem, wir laufen und schreien nicht herum, und klettern tun wir auch nicht. So stören wir auch die Falken und die Uhus nicht.«
»Außerdem bist du selbst ein alter Uhu und gehörst folglich hierher«, frotzelte Lorenz. Dann schwiegen sie wieder andächtig. Es kam ein Wind auf, der kühl über die Felsen strich und Staub und Blätter aufwirbelte. Ein Bussard kreiste über ihnen im blauen Himmel und stieß ab und an einen heiseren Schrei aus. »Hier, hier«, schien er ihnen aus luftiger Höhe zuzurufen.
Die drei beobachteten den Vogel, wie er den Wind geschickt unter seinen breiten Schwingen nutzte, um ohne einen Flügelschlag schwerelos dahinzugleiten.
Dann begann Gustav zu erzählen. »Wenn ich es mir so recht überlege, habe ich eben doch ein paar Erinnerungen festhalten können.« Er schwieg wieder eine Weile, und auch die beiden anderen
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