Altes Eisen - [Kriminalroman aus der Eifel]
Ich werde gebraucht. Und es ist spannend. Ich kann es nicht lassen.«
Bärbel lächelte ihn an, blieb jedoch stumm. Lorenz mochte ihr offenes, herzliches Lächeln sehr. Er wusste, es war ehrlich gemeint, und es wärmte ihn von seinem tiefsten Innern heraus am ganzen Körper. Es drängte sich ihm ein Gedanke des Kommissar Wollbrand auf, der wohl besagte, dass er etliche Jahre früher genau gewusst hätte, was zu tun sei, wenn eine Frau nach Mitternacht zu ihm gekommen wäre. Dabei stand er unschlüssig einen Schritt von Bärbel entfernt und wusste nicht, was er sagen sollte. Bärbel nahm ihm die Entscheidung ab. Sie trat ganz nah an ihn heran, hauchte ihm einen Kuss auf die bärtige Wange und sagte leise: »Es ist schon gut. Ich wollte nur mit dir sprechen. Nun kann ich zu Bett gehen. Gute Nacht.«
Sie ging durch das Zimmer, öffnete die Tür und winkte Lorenz noch einmal kurz zu. Dann schloss sie leise die Tür von außen.
»Gute Nacht«, erwiderte Lorenz, als sie längst fort war.
Er setzte sich wieder an den Schreibtisch. Auf dem Monitor war ein Bild von ihm und Rita zu sehen. Es verschwand sofort, als er die Computermaus berührte. Lorenz las die letzten Worte, die er eben geschrieben hatte. Dann fiel ihm wieder ein, dass er eigentlich längst das Schreiben beendet und sich dem Lesen der Abhandlung über das Grab des Erzbischofs gewidmet hatte. Was hatte er eben gelesen? Er wusste es nicht mehr. Seufzend nahm er das oberste Blatt zur Hand und begann wieder zu lesen. Er hatte noch keinen Satz beendet, als es erneut klopfte. Kopfschüttelnd stand er auf und öffnete die Tür. Benny stand dort und grinste ihn an. »Hallo, Opa Bertold.« Er schob sich an Lorenz vorbei ins Zimmer. »War mir klar, dass du um diese Zeit noch nicht im Bett bist.« »Mir nicht«, versetzte Lorenz und schloss die Tür.
»Ach komm«, meinte Benny. »Ich habe gerade Bärbel gesehen auf dem Weg in ihr Appartement. Und wenn mich nicht alles täuscht, kam sie von hier. Hoho!« Er machte eine Handbewegung, die vermutlich andeuten sollte, dass er alles wusste, was immer es auch sei.
Lorenz tippte an seine Schläfe. »Ich ahne, was du damit sagen willst, aber es ist Unsinn – wie fast alles in deinem Kopf.«
Benny lachte. »Da hast du vermutlich mal wieder sehr recht. Ich bin auch gekommen, um dir zu erzählen, welchen Unsinn ich diesmal erlebt habe.«
»Na, dann lass mal hören.« Lorenz setzte sich wieder auf seinen Stuhl. Der Abend verlief ganz anders als geplant, jedoch war ihm das sehr lieb. Wenn er spät abends allein im Zimmer saß, hatte er zwar Ruhe, doch es fehlte die rechte Müdigkeit zum Schlafen. Nun leisteten ihm seine Freunde abwechselnd Gesellschaft, als hätten sie sich abgesprochen, und er war rechtschaffen müde. Die Augen fielen ihm fast zu, während er Bennys Erzählung lauschte, und das war sehr angenehm. Er bekam zwar nicht mehr alles in allen Einzelheiten mit, aber immerhin das Wesentliche: Erst hatte Benny ein wunderschönes Mädchen geküsst und dann einen eifersüchtigen Messerstecher mit einem Sonnenschirmständer bewusstlos geschlagen.
»Und, was meinst du dazu?«, fragte Benny, als er zum Ende gekommen war.
»Umgekehrt wäre nicht so gut gewesen«, grinste Lorenz.
»Was?« Benny verstand nicht.
»Na ja. Den fiesen Messerstecher küssen und das Mädel umhauen, meine ich.«
»Ach Opa«, maulte Benny. »Hast du mir nicht zugehört? Ich meine, ist das nicht echt spannend?«
»Klar.« Lorenz nickte anerkennend. »Du wirst glücklich und jung sterben. Abgestochen, aber verliebt.«
Benny lachte. »Du bist mir vielleicht eine Hilfe. Was mache ich nur, um Elena wiederzusehen und vielleicht einmal ohne an diesen Idioten zu geraten, der ihr ständig nachschnüffelt?«
»Tut mir leid, mein Junge. Aber ich habe da überhaupt keine Erfahrung. Ich war über ein halbes Jahrhundert mit meiner Frau zusammen. Und die hatte keinen Bruder, der sie bewacht hätte.«
»Das ist nicht ihr Bruder«, korrigierte Benny. »Der Kerl arbeitet für ihren Vater, und der ist ein ziemlich reicher Geschäftsmann oder so. Elena meinte, der Typ wäre echt gefährlich und außerdem davon überzeugt, sie sei ihm versprochen.«
»Und – ist sie das?«
Benny schüttelte heftig den Kopf. »Nee, auf gar keinen Fall!«
Lorenz grinste. »Mein lieber Junge, ich kann dir nur raten, vorsichtig zu sein. Eben habe ich gelernt, dass man vorsichtig sein muss, auch oder gerade wenn man keine Angst hat.«
»Hört sich nach unserer Künstlerin und
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